27.09.2011
Krabbenfischer: „Freie Fischerei oder körperliche Gewalt“
Ausweglos stellt sich offenbar die derzeitige Situation der Krabbenfischer dar. Auf einem Fischertreffen im niedersächsischen Greetsiel, zu dem 60 Fischer und Abnehmer von Fedderwardersiel bis Zoutkamp gekommen waren, sprachen sich die Teilnehmer dagegen aus, durch Stillliegen oder eine Fangmengenreduzierung in dieser Woche einen Preisanstieg zu erzwingen. „Übrig geblieben sind am Ende die Vorschläge ‚freie Fischerei oder körperliche Gewalt’“, schreibt der Fischer Gerold Conradi, 1. Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft „Emsmündung“. In dem vom Deutschen Fischerei-Verband verbreiteten Schreiben heißt es, „ähnliche Reaktionen hören wir auch aus Dänemark, Schleswig-Holstein und aus den Regionen.“
Ein Problem ist offenbar das gegenwärtige Überangebot an Nordseekrabben, das den Großhandel zu einer erneuten Senkung des Kilopreises motiviert. Auf Transparenten warnten die Fischer Ende der Woche: „1,60 Euro/kg - der Preis fällt weiter! Unser Ende?!“ Eine Puppe in traditioneller Fischerkleidung, am Mast erhängt, diente als drastisches Sinnbild. In den zurückliegenden vier Wochen hatten viele Kutter Mengen von 20 bis 28 Tonnen je Kutter angelandet und damit eine quasi „olympische Fischerei“ ausgelöst: „Weil diesen Fischern und ihren Produzentenorganisationen (POs) und Erzeugerorganisationen (EOs) mit gutem Zureden und Drohungen nicht mehr beizukommen war, hatte sich in den Niederlanden ein großer Teil der übrigen Fischer dazu entschlossen, es den anderen gleich zu tun, damit diese auf das gleiche Niveau wie alle kommen“, beschreibt Conradi die aktuelle Situation.
Vorläufig haben sich die Fischer dafür ausgesprochen, frei zu fischen bzw. soviel, wie der jeweilige Händler ihnen abnimmt. Außerdem forderten sie, dass jeder Inhaber einer Krabbenlizenz EU-weit verpflichtend auch Mitglied einer anerkannten Erzeugerorganisation sein müsse. Zwischen den POs und EOs müssten Gespräche geführt werden, gegebenenfalls unter Aufsicht der europäischen Kartellbehörde NMA. Doch „weitere Eskalationen der jetzigen Situation können nicht ausgeschlossen werden“, warnte Gerold Conradi. Dr. Peter Breckling, Geschäftsführer des Deutschen Fischerei-Verbandes, untermauerte die desolate Lage der Kutter- und Küstenfischer mit einigen Zahlen: der Umsatz der Fischer liege in den ersten neun Monaten des Jahres 50 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. „Branchenkenner erwarten bei gegenwärtigem Verlauf 20 bis 30 Prozent betriebliche Insolvenzen noch in diesem Jahr. Das wären in Deutschland rund 50 Kutter“, sagte der Verbandsvertreter. Inzwischen habe die Bundesregierung reagiert. Dr. Robert Kloos, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV), zeigte sich von der aktuellen Entwicklung „sehr betroffen“ und bereite Konsultationen mit den Niederlanden, Belgien und Dänemark vor.
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