05.12.2024

Norweger korrigieren Foodwatch-Darstellung zum Lachs

Die Berliner Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat eine Kampagne gestartet, um den Verkauf von Lachs aus Norwegen zu stoppen. "Lebendig von Parasiten zerfressen und durch Infektionen geschwächt: So ergeht es Millionen Lachsen in der norwegischen Aquakultur. Trotzdem werden sie verkauft – auch in unseren Supermärkten", schreibt Foodwatch einleitend zu der gestern gestarteten E-Mail-Aktion und formuliert das Fazit: "Das System der Lachszucht ist krank – und deutsche Supermärkte tragen eine Mitschuld." Jeder sechste Lachs sterbe, bevor er abgefischt und verarbeitet werden könne. Deshalb müssten "Edeka, Rewe & Co. […] ihre Marktmacht nutzen und den Einkauf von norwegischem Qual-Lachs stoppen."

"Verunreinigter" Fisch im Einzelhandel?

Die Verbraucherschützer suggerieren, dass "verunreinigter oder bereits verwesender Fisch in den Einzelhandel" gelangen könne, obwohl norwegische Behörden bislang nur einen Fall dokumentiert hätten. Die Farmen würden "den umliegenden Ökosystemen in erheblichem Maß" schaden. Ein Grund sei, dass Lachsfutter "zu einem großen Teil aus Fischmehl und Fischöl, die aus wild gefangenem Fisch hergestellt werden", bestehe. Außerdem stamme das Fischfutter aus Regionen wie Nordwestafrika, "was den Menschen dort eine wichtige Nahrungsquelle entzieht." Entkommende Zuchtlachse, "jährlich mindestens 200.000", seien für den Rückgang der Wildlachs-Population in Norwegen mit verantwortlich, weil "die teilweise kranken Tiere […] Wildfische infizieren" könnten.

Siegel keine Lösung?

Nachhaltigkeitssiegel wie die Bio- oder ASC-Zertifizierung seien keine Lösung für die angesprochenen Problematiken. "Für Bio-Lachs gibt es zwar strengere Vorgaben zur Anzahl der Fische pro Käfig. Eine Garantie für gesunde Fische ist das aber nicht", meint Foodwatch. Außerdem habe Bio-Lachs nur einen Anteil von 1,74 Prozent an der norwegischen Lachserzeugung – 25.546 Tonnen von insgesamt 1.467.655 Tonnen – und spiele damit "kaum eine Rolle". Bei dem Siegel des Aquaculture Stewardship Councils (ASC) sehen die Berliner Verbraucherschützer zwei Widersprüche. In nur zwei von zehn Fällen sei es Foodwatch gelungen, über den ASC-Code Auskunft über die Herkunftsfarm zu erhalten – und das, obwohl der Weg der zertifizierten Fischprodukte anhand des Codes auf der Verpackung von der "Zucht bis auf den Teller lückenlos nachvollziehbar sein" soll. Noch gravierender sei, dass es in mindestens vier Fällen zum krankheitsbedingten Massensterben von Lachsen oder zu anderen Zwischenfällen gekommen sei – etwa dem Entkommen von infizierten Lachsen –, obgleich die betreffenden Farmen ASC-zertifiziert gewesen seien.

NSC: Hoher Fokus auf Lebensmittelsicherheit

Das Norwegian Seafood Council (NSC) greift die Vorwürfe von Foodwatch in einer heutigen Pressemeldung auf, um "eventuell irreführende oder ungenaue Informationen" richtigzustellen. "In den Medien wird der Eindruck hinterlassen, dass Lachs aus Norwegen mit Krankheiten in deutschen Supermärkten verkauft wird", schreibt das NSC und betont: "Die norwegischen Behörden haben einen hohen Fokus auf die Lebensmittelsicherheit und darüber hinaus strikte Richtlinien für Lachs aus der Aquakultur. Jährlich werden um die 15.000 Lachse vom staatlichen Meeresforschungsinstitut (MRI) auf Krankheiten und Spuren von Medikamenten untersucht und das seit 1997. Nie wurden irgendwelche Werte gefunden, die eine Lebensmittelsicherheit in Frage stellen."

Maßnahmen gegen Fischsterblichkeit

Im Hinblick auf die Fischsterblichkeit in der Lachszucht räume die norwegische Aquakulturindustrie jedoch ein, dass die Mortalitätsrate zu hoch sei – auch wenn sich der Wert von 16,7 Prozent über den gesamten Lebenszyklus des Lachses seit Jahren auf ähnlichem Niveau bewege. Angesichts der Höhe seien "umfassende Verbesserungsmaßnahmen" eingeleitet worden, doch es benötige Zeit, um sichtbare Ergebnisse zu produzieren. Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation seien eine Erweiterung der Parameter für das Fischwohlbefinden, ein Projekt zur Schaffung einer Fischgesundheitsdatenbank sowie Biosicherheitsprogramme.

Spitzenplätze beim Coller FAIRR Index

Dem Vorwurf einer Umweltbelastung durch die Lachsaquakultur widerspricht das NSC: "Die Umweltstandards und das Kontrollregime in der norwegischen Lachszucht gehören zu den strengsten weltweit." Die Branche habe die Emissionen von Umweltschadstoffen in den vergangenen 15 Jahren um 60 bis 70 Prozent gesenkt und liege beim Coller FAIRR Protein Producer Index an der Spitze: Unter den Top Ten des aktuellen Indexes 2023 befinden sich sieben Fischproduzenten, wobei die drei Spitzenplätze von Lachszüchtern belegt werden. Der Coller FAIRR Index ist eine jährliche Bewertung, die zeigt, wie die weltweit größten Produzenten von Fleisch, Milch und Fischprodukten in den unterschiedlichen Bereichen der Nachhaltigkeit abschneiden.

Kein genmanipuliertes Futter

Wenngleich Foodwatch das Thema "Soja im Futter" im Rahmen der aktuellen Vorwürfe nicht anspricht, betont das NSC mit Blick auf eine entsprechende Passage in einem gestrigen Artikel des Nachrichtenmagazins 'Der Spiegel': "Die norwegische Lachszucht verwendet kein genmanipuliertes Futter." Bereits seit dem Jahr 2021 unterliegen Norwegens Sojalieferanten, die der Aquakultur- bzw. der Futtermittelindustrie Sojabohnen liefern, strengen Anforderungen, die sicherstellen, dass seit August 2020 kein Soja aus abgeholzten Regenwäldern stamme. Dem Vorwurf "Überfischung für Fischfutter" begegnen die Norweger mit dem Hinweis, dass der marine Anteil im Lachsfutter um die 30 Prozent betrage – und: "Dieser Anteil wird aus Fischmehl und Fischöl aus Fischabfällen und nicht für den menschlichen Konsum geeigneten Fischarten hergestellt." Für die Produktion von einem Kilogramm Lachs werden durchschnittlich 1,2 Kilo Fischfutter verwendet. Das mache "Lachs zu einem der effizientesten Nutztiere", schließt die NSC-Stellungnahme.
Norweger korrigieren Foodwatch-Darstellung zum Lachs
Foto/Grafik: Foodwatch
"Den Einkauf von norwegischem Qual-Lachs stoppen", fordert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Das Norwegian Seafood Council (NSC) korrigiert die Vorwürfe der Berliner NGO.
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