31.01.2020

Brexit: Mehr als 500 Arbeitsplätze sind in Gefahr

Wenn Großbritannien mit Schlag Mitternacht heute die Europäische Union verlässt, bleibt für die Fischwirtschaft operativ zunächst alles beim Alten. Denn für die kommenden elf Monate - bis zum 31.12.2020 - läuft eine Übergangsperiode, in der das United Kingdom zwar nicht mehr EU-Mitgliedstaat ist, jedoch weiterhin den EU-Regularien unterworfen sein wird. Doch bereits bis zum 1. Juli 2020 wollen europäische und britische Verhandlungspartner ein neues Fischereiabkommen ratifizieren, dessen Aushandlung allerdings eng mit einem Handelsabkommen verknüpft ist. Für die europäische Fischerei werde der Brexit "deutliche Auswirkungen" haben, heißt es in einer Studie des Thünen-Instituts. Bislang werden die Fangmöglichkeiten in den EU-Gewässern und damit auch in der britischen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) nach einem historischen Schlüssel verteilt, der die Fangzusammensetzung der EU-Flotten in den Jahren 1973 bis 1978 widerspiegelt. Nach dem Prinzip der sogenannten "relativen Stabilität" erhalten die Mitgliedstaaten einen bestimmten, immer gleichen prozentualen Anteil an den jährlich festgelegten Fangquoten.

Eine andere Variante, die für die Zukunft diskutiert wird, ist die Aufteilung der Fangquoten nach dem Prinzip der "zonalen Zuordnung". Diesem Verteilungsprinzip liegt die Verteilung der jeweiligen Fischbestände auf die AWZ der Länder zugrunde. Anhand von Abschätzungen dieser Anteile würde die Gesamtquote eines Bestands unter den Ländern verteilt. Ein derartiger Verteilungsschlüssel würde für die verbleibenden EU-Mitgliedstaaten deutlich geringere Fangmöglichkeiten im Vergleich zum Status quo bedeuten. Großbritannien bzw. die britischen Fischer würden hingegen erheblich besser dastehen. Bei einigen Arten hätte eine solche Zuordnung allerdings auch Nachteile für die britischen Fischer, etwa beim Kabeljau. Die vier großen deutschen Schwarmfischtrawler erzielen bis zu 80% ihrer Fänge - hauptsächlich Hering und Makrele - und damit den überwiegenden Teil ihres Umsatzes aus der britischen AWZ. Nach Angaben von Dr. Uwe Richter, Geschäftsführer des Fischverarbeitungswerks Euro-Baltic in Sassnitz auf Rügen, werden rund 40.000 Tonnen des dort verarbeiteten Fischs vor der schottischen Küste gefangen.

Sollte es nach Auslaufen der Übergangsregelung kein neues Fischereiabkommen geben, dürfte kein EU-Schiff weiterhin in der britischen AWZ fischen. Als Alternative sieht Richter norwegische Fanggebiete, doch sei der fischereiliche Aufwand dort höher, weil es vor Norwegen nicht so viel Hering gebe. Wenn sich die EU-Minister nicht mit Großbritannien einigen, sei die Zukunft für das Werk in Sassnitz mehr als fraglich, zitiert der Norddeutsche Rundfunk Uwe Richter. Damit stünden 230 Arbeitsplätze bei der Euro-Baltic sowie weitere 200 bei Dienstleistern in der Region zur Disposition. In Bremerhaven sollen rund 100 Seeleute von einem potentiellen Negativ-Szenario betroffen sein.

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