10.11.2021
Europäischer Aal: ICES empfiehlt umfassenden Fangstopp
Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat sich in seinen Fangempfehlungen für das Jahr 2022 erstmalig klar für eine vollständige Schließung der Aalfischerei in sämtlichen Habitaten ausgesprochen, teilt das Thünen-Institut mit. Dies schließe ausdrücklich die Fischerei auf Glasaale als Grundlage für die Aal-Aquakultur und den Besatz von Freigewässern mit ein. Die Empfehlung stützt sich vor allem auf das anhaltend sehr geringe Aufkommen von Jungfischen, das im Jahr 2020 im Gebiet der Nordsee nur noch 0,9 Prozent des Aufkommens der 1960er- und 1970er-Jahre betrug, im restlichen Europa 7,1 Prozent. Für das Jahr 2021 liegt dieser Wert vorläufig für die Nordsee bei nur noch 0,6 Prozent und im übrigen Europa bei 5,4 Prozent. "Diese Entwicklung lässt keinen anderen Schluss zu und die Empfehlung ist nur folgerichtig, wenn auch überfällig", meint Prof. Dr. Reinhold Hanel, Leiter des Thünen-Instituts für Fischereiökologie. Das international anerkannte Team um Hanel forscht seit über einem Jahrzehnt zur Bestandssituation des Europäischen Aals und ist auch in den zuständigen Expertengruppen des ICES vertreten.
Das Aufkommen sogenannter Glasaale wird an über 50 Orten entlang der europäischen Küsten in Langzeitserien erfasst. Seit Beginn der 1980er-Jahre ging es stetig zurück, bis es im Jahr 2011 einen historischen Tiefpunkt erreichte und seither auf diesem Niveau stagniert. Für Fischereiwissenschaftler ist das ein Alarmzeichen, denn: "Bewegt sich das Jungfischaufkommen über einen längeren Zeitraum auf geringem Niveau, ist das ein Zeichen für eine nicht ausreichende Zahl an Elterntieren oder für ungünstige Umweltbedingungen", sagt Hanel. Bei einer weiteren Abnahme der Zahl an Elterntieren wird eine Erholung des Bestandes immer unwahrscheinlicher. Schon in der Vergangenheit hatte der ICES daher wiederholt empfohlen, "jegliche anthropogene Sterblichkeit für den Aal – darunter Fischerei und Wasserkraft – soweit wie möglich gegen 0 zu reduzieren.“ Die Europäische Union hat in der Folge 2007 ihre Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Managementpläne zu entwickeln, um eine Erhöhung der Abwanderung von laichbereiten Aale zu erreichen.
Vielerorts wurden die lokalen Bestände durch Besatz, also das Einsetzen von Jungaalen in Seen und Flüssen aufgestockt. Diese Maßnahme ist jedoch umstritten, da die zum Besatz verwendeten Aale andernorts gefangen werden müssen. Im Gegensatz etwa zum Lachs, der künstlich erbrütet werden kann, werden dem Gesamtbestand daher keine Tiere hinzugefügt, sondern von einem Ort zu einem anderen verbracht. Das birgt Risiken, zum Beispiel Sterblichkeit beim Fang und beim Transport oder die Verbreitung von Krankheiten und Parasiten. Weiterhin ist unklar, ob die umgesiedelten Aale nach Erreichen der Geschlechtsreife überhaupt den Weg zurück ins Laichgebiet finden. Von einer Maßnahme zum Bestandsschutz zu sprechen sei daher zweifelhaft, urteilt Hanel, besonders wenn Aale in den Besatzgewässern befischt werden. Ob und wie die aktuelle Empfehlung umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
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