17.01.2012
Lebensmittelrecht: Nulltoleranz gefährdet Binnenfischerei
Der Verkauf von Fischen aus deutschen Flüssen und Seen sei - rein lebensmittelrechtlich - höchst fragwürdig, äußerte vor zwei Tagen der Ernährungswissenschaftler Dr. Udo Pollmer im Deutschlandradio. Der Grund: in Aalen und Brassen, die hierzulande gefangen werden, lassen sich regelmäßig die verbotenen Fischarzneimittel Malachitgrün und Kristallviolett nachweisen. Für diese Substanzen gelte jedoch zum Schutz von Umwelt und Verbraucher eine Nulltoleranz, erklärt der Lebensmittelchemiker Pollmer im Hörfunkfeuilleton „Mahlzeit“: „In heimischen Produkten dürfen damit keine Rückstände mehr nachweisbar sein.“ Anders sei hingegen die Rechtslage bei Importfisch, in dem zumindest Spuren der fraglichen Stoffe erlaubt seien.
Das Problem: Spuren der beiden synthetischen Farbstoffe, die zuverlässig Bakterien, Pilze und Parasiten abtöten, seien in der Umwelt „praktisch unvermeidlich“. Der Eintrag erfolgt nicht nur durch Aquarienbesitzer - diese dürfen die Wirkstoffe weiterhin einsetzen -, sondern auch durch zahlreiche andere Quellen. Malachitgrün wird beispielsweise auch zum Färben von Textilien, Papier und Karton eingesetzt, Kristallviolett steckt gewöhnlich in Farbbändern und Durchschreibpapieren. Auch in der Humanmedizin haben sich die Stoffe bei äußerlicher Anwendung bewährt - gleichwohl stehen sie im Verdacht, krebsfördernd zu sein. Eine legale Fischproduktion sei „auf lange Sicht nur noch in sogenannten Kreislaufanlagen möglich“, folgert Dr. Udo Pollmer. Über kurz oder lang betreffe diese Problematik im übrigen „alle Lebensmittel“. Der Wissenschafter fordert daher eine Abschaffung der Nulltoleranz: „Eine Nulltoleranz schadet Umwelt und Mensch. Denn auch die Analytiker müssen ihre Ressourcen einteilen. Wer sie mit Nonsense beschäftigt, verhindert einen wirksamen Verbraucherschutz.“
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