Matjes Lange - Bestes mobiles Fischfachgeschäft 2017
Matjes Lange, Kiel
Matjes nach holländischer Art, produziert in Kiel
Seit über 100 Jahren verkauft Matjes Lange in Kiel und Umgebung ambulant Fisch und Fischprodukte. Die dritte Generation ist inzwischen mit sechs Selbstfahrern und vier Anhängern auf Wochenmärkten und vor Supermärkten präsent. Eine eigene Räucherei auf dem Kieler Seefischmarkt produziert in Altonaer Öfen, und am Hauptsitz in Heikendorf werden Fischsalate und Marinaden hergestellt.
Im Raum Kiel ist Matjes Lange vermutlich der Marktführer – der älteste, der größte und der bekannteste mobile Fischfachhandel. Von Anfang an habe man ambulant gehandelt, berichtet Frank Lange, der das Geschäft gemeinsam mit Bruder Rainer Lange, Schwester Susan Meister und deren Mann Jörg heute führt. Es begann vor mehr als 100 Jahren – 1912 – mit einer einachsigen Holzkarre, einer „Schottschen Karre“. Ein Tempo-Dreirad war eines der ersten motorisierten Transportmittel und heute füllt der Fuhrpark einen ganzen Parkplatz. Sechs Selbstfahrer, davon vier von zehn Metern und zwei von sieben Metern Länge, sowie vier Anhänger mit einer Gesamtlänge von weiteren 31,5 Metern. Die meisten stammen von dem Rotenburger Wagenbauer Borco Höhns. Den beeindruckendsten Auftrieb von Matjes Lange erlebt der Besucher an einem Samstagvormittag auf dem Kieler Exerzierplatz, dem zentralen Wochenmarkt der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt. Dort steht zum einen ein Selbstfahrer von zehn Metern Länge, dessen Theke zu zwei Dritteln mit Räucherware aus den eigenen Öfen und zu einem Drittel mit hausgemachten Salaten belegt ist. Direkt gegenüber sind zwei zusammengesteckte Anhänger von 16 Metern Gesamtlänge platziert, die auf zehn Metern Frischfisch und auf sechs Metern Matjes und Marinaden anbieten.
Frischfisch von ausgewählten dänischen Kuttern
Die Zehn-Meter-Theke des Borco-Wagens ist von links nach rechts mit Frischfisch, Salaten, Marinaden und Räucherfisch bestückt.
Gearbeitet wird bei Matjes Lange vor allem in den frühen Morgenstunden und in der ersten Tageshälfte. Wenn andere zu Bett gehen, steigt Frank Lange in seinen Kühltransporter und fährt gen Norden ins dänische Padborg. Gut 110 Kilometer oder 75 Autominuten sind es bis zu dem Fischumschlagzentrum an der deutsch-dänischen Grenze. Dort holt er zweimal die Woche Frischfisch, den er bei festen Lieferanten bestellt oder über einen Agenten in den Auktionen vor allem an der dänischen Westküste gekauft hat. „Wir arbeiten mit Kuttern in Thyborøn und an der Ostsee zusammen“, erläutert der Fischhändler. Die Fischer sind bewusst gewählt. Der Kapitän der „Langen Luna“ pflege die Fische, „wie wir unsere Frauen pflegen“, formuliert es der Heikendorfer Importeur: „Er packt immer nur 20 Kilo in jede Kiste, bei Schollen 25 Kilo, alles sauber gelegt, damit es keine Druckstellen gibt.“ Der Fischer erhält so mehr Geld für die nicht gestapelte Ware und der Händler profitiert von einer überdurchschnittlichen Qualität. Um 1:00 Uhr morgens trifft Frank Lange wieder am Kieler Ostufer ein, legt sich noch zwei Stunden schlafen – und übergibt die Staffette zunächst an seinen Schwager Jörg Meister und dessen Gehilfen.
Ab 2:30 Uhr wird am Seefischmarkt geräuchert
Jörg Meister führt die Räucherei am Kieler Seefischmarkt, die die Langes im Jahre 1986 einrichteten. Im ehemaligen Zolllager der Stadt Kiel hatten sie damals Altonaer Öfen, Baujahr 1950, entdeckt, die heute noch ihren Dienst versehen. Morgens gegen 2:30 Uhr wird mit Buchen- und Erlenspänen das Feuer in den vier Kammern entfacht und brennt dann fast zweieinhalb Stunden. Das Räuchern in den frühen Morgenstunden ist relativ ungewöhnlich. „So frisch wird Räucherfisch in Deutschland eigentlich nicht angeboten. Die meisten haben keine Lust, so früh aufzustehen und räuchern bereits am Vorabend“, sagt der Räuchermeister. Die Behörden begrüßen im Hinblick auf Gerüche und Emissionen das nächtliche Räuchern. Um kurz vor 5:00 Uhr werden die Ofentüren geöffnet. Gut 250 Kilo Makrele, Hering, Forelle, Aal, Lachs und Schillerlocke werden auf bereitstehende Kisten verteilt, mit denen wieder eine Stunde später die Marktwagen bestückt werden. „Etwa die Hälfte unserer verkauften Ware ist Räucherfisch“, schätzt Frank Lange.
Jörg Meister (hinten) führt die Räucherei am Kieler Seefischmarkt, die die Langes im Jahre 1986 einrichteten.
Inzwischen ist auch am Hauptsitz in Heikendorf, neun Kilometer Richtung Fördemündung, die Arbeit angelaufen. Dort im Gewerbegebiet hatte Matjes Lange vor geraumer Zeit die Produktionsräume eines insolventen Geflügel-Verarbeiters übernommen. An den Arbeitstischen werden der Frischfisch aus Dänemark und weitere Zukäufe vom Hamburger Fischmarkt und von regionalen Lieferanten filetiert. Hier werden Frikadellen gebraten und Salate gerührt, während schon die Auslagen der Selbstfahrer und Anhänger bestückt werden.
Würste wahlweise im Schweine- oder Schafsdarm
In zwei Pfannen braten Frikadellen vom Dorsch (ca. 75% Dorschanteil plus Seelachs) und vom Lachs (100% Lachs zzgl. Kräuter u. Panade). Thunfisch-Burger aus reinem Thunfilet werden erst morgens auf den Märkten gebraten. Die Brat- und Grillwürste vom Lachs und neuerdings auch vom Thunfisch werden aus Kostengründen in der Regel im Schweinedarm gestopft, auf Wunsch wird stattdessen Schafsdarm verwendet. „Wir haben auch keine Schweinegelatine als Bindemittel, weil bei uns soviele Türken kaufen“, erklärt Frank Lange. Die Lachs-Bratwurst entwickele sich zum Erfolgsprodukt: „Im letzten Jahr hat uns ein Caterer 2.000 Stück abgenommen und auf Weihnachtsmärkten verkauft.“
Etwa ein Dutzend verschiedene Salate und weitere saisonale Varianten produziert Mitarbeiterin Ramona Rust. „Alle Salate sind nach Möglichkeit frei von Konservierungsstoffen und Geschmacksverstärkern und wir verwenden nur frische Zutaten“, erklärt die gelernte Köchin. Da gibt es den Ellerbeker Fischtopf, andernorts als Göteborger bekannt, oder den Büsumer Salat mit Nordseekrabben, Matjes und Bismarckhering gemischt sowie einer Sahne-Joghurt-Sauce mit Tomatenpaste und frischem Dill. Für den Lachssalat werden Filets vom schottischen Lachs aus der eigenen Räucherei geschnitten und mit hausgemachter Sahnesauce kombiniert. Die saisonale Kreation aktuell zur Weihnachtszeit ist ein Chili-Salat mit sauren Heringen, Cranberries, Birne und Chili. Wie vielerorts ist auch bei Matjes Lange der Nordseekrabbensalat der Renner. Das Krabbenfleisch liefert Gustav Rentel, der seine Garnelen in Polen entschälen lässt. Frank Lange beschreibt die Vorzüge: „Sie schleudern das Krabbenfleisch nicht so lange: dann hast Du mehr Krabbensaft und die Krabbe schmeckt noch nach Krabbe. Und beim Pulen in Polen ist der Lkw nur 24 Stunden unterwegs.“
Eine Spezialität von Jörg Lange ist der Pulpo-Salat: „Für meinen Pulpo-Salat habe ich ein Rezept mit 14 Kräutern und sechs Gewürzen, darunter neben Salz auch Paprika, Oregano und Rosmarin.“ Da ihm die schlichte spanische Variante des Salats – nur Paprikapulver, Meersalz und Olivenöl – „zu langweilig“ war, fügt er außerdem Tomaten, Lauchzwiebeln und Karotten hinzu. Und: „Das Geheimnis liegt im Kochen des Pulpo: die meisten zerkochen ihn oder kochen ihn nicht lange genug, so dass er noch zu hart ist.“ Die gewünschte Zartheit erhalte der Tintenfisch bei einer Garzeit von etwa einer Stunde je Kilo Gewicht.
Matjes nach holländischem Vorbild – in Kiel produziert
Die grünen, girlandenartigen Trennstangen zwischen den Blechschalen der Frischfisch-Arten verhindern etwa, dass der Schleim ganzer Fische auf Filets übergeht – und werden täglich heiß gereinigt.
Eine gewisse Rolle im Sortiment spielt noch immer der Matjes, der dem Fischhandel seinen Namen gab. „Zu guten Zeiten haben wir in der Woche 20 blaue Tonnen à 50 Kilo verarbeitet“, erinnert Frank Lange. Das Rezept habe man vor langer Zeit von Haasnoot „geklaut“: „Wir sind die einzigen hier im Norden, die es nach holländischer Art machen: es ist quasi ein holländischer Matjes.“ Das heißt: die ersten fetten Heringe der Saison werden, wenn sie etwa 18 Prozent Fettgehalt haben, für 24 Stunden eingefroren, anschließend gekehlt und nach holländischem Vorbild eingesalzen. Eine Spezialität ist der ‚Holsteiner Spezial Matjes‘, geschnitten aus Heringen von 250 bis 300 Gramm: „Die kriegst Du nirgendwo anders.“
Etwa ab 6:30 Uhr verlassen die ersten Verkaufsfahrzeuge den Hobelring. Ihre Ziele: rund ein Dutzend Wochenmärkte in Kiel und dessen Umland, in Neumünster, Preetz, Plön und Wahlstedt, außerdem Standorte vor Famila- und Edeka-Märkten im Großraum Kiel. Wir besuchten einen Matjes Lange-Wagen auf dem Kieler Blücherplatz. Das angrenzende Viertel Düsternbrook nördlich der Kieler Innenstadt gehört mit seinem Altbaubestand zu den sehr guten Wohnlagen der Metropole. Die Zehn-Meter-Theke des Borco-Wagens ist von links nach rechts mit Frischfisch, Salaten, Marinaden und Räucherfisch bestückt.
Auffällig bei der Thekengestaltung sind grüne, girlandenartige Trennstangen zwischen den Blechschalen der einzelnen Frischfisch-Arten. Die Elemente sind mehr als Dekoration, erklärt Frank Lange: „Wenn direkt neben einem frischen Fisch ein Filet läge, ginge der natürliche Schleim insbesondere von Forelle, Saibling, Lachs oder Lachsforelle, aber auch von Steinbutt oder Scholle, auf das Filet über. Zuhause hielte die Kundin das schmierige Filet für alte Ware. Und der Schleim ließe sich nur mit lauwarmem Wasser herunterwaschen.“ Außerdem gestalte diese optische Trennung die Theke für den Kunden übersichtlicher. Zum Hygieneproblem werden die Grünstangen nicht: „Zum Feierabend werden sie ausgeräumt und jeden Tag bei knapp unter 100 ºC – damit sie nicht einlaufen – in der Geschirrspülmaschine gewaschen.“
Loch Duart-Lachs – der Schotte aus „Wildfang“
Eine Besonderheit sowohl im Frischfisch- wie auch im Räucherfisch-Segment ist der schottische Loch Duart-Lachs. „Da sind wir wohl fast die einzigen hier im Norden, die ihn vertreiben“, glaubt Frank Lange. Seit etwa zwei Jahren werde der gegenüber dem Norweger etwa 15 Prozent teurere Schotte angeboten. Er punkte durch seinen geringeren Fettgehalt. Die gut gefüllte „Aalrutsche“, die schräge Präsentation für den Räucherfisch, spiegelt die besondere Kompetenz in diesem Segment.
Neben den mobilen Verkaufseinheiten betreibt Matjes Lange inzwischen auch zwei stationäre Filialen. Integriert in die Produktionshalle in Heikendorf ist seit Mai 2016 ein kleiner Laden, der am Donnerstag und Freitag geöffnet ist. Und einen besonders prominenten Standort besetzt seit letztem Jahr ein moderner Verkaufscontainer: er steht direkt an der ‚Kiellinie‘, jener bei schönem Wetter hochfrequentierten Promenade am Westufer der Kieler Förde, kurz hinter dem Seehundebecken an der großen Wiese und nur einen Steinwurf vor der ‚Fischbar‘. Auch diese Verkaufseinheit wurde bei Borco Höhns gebaut. bm
Bestes mobiles Fischfachgeschäft des Jahres 2017