Bodensee-Fischerei
Andreas & Sonja Knoblauch GbR - Beste Direktvermarktung ab Produzent 2015
Fischerei Andreas und Sonja Knoblauch, Unteruhldingen
„Es geht um den Fisch und nicht um die Show“
Die Fänge aus dem Bodensee sind seit Jahren rückläufig. Doch die Fischerfamilie Knoblauch aus Unteruhldingen beweist, wie Bodensee-Fischerei kombiniert mit eigener Verarbeitung und direkter Vermarktung, Gästehäusern und viel Elan eine wirtschaftliche Existenz bieten kann. Ein breites Sortiment hausgemachter Fischprodukte verleiht der Fischerei Knoblauch ein unverwechselbares Profil.
Es dämmert kaum an diesem Dezember-Morgen, als Andreas und Marco Knoblauch ihr Boot für die Ausfahrt auf den Bodensee klarmachen. Zwanzig Autominuten vom Sitz ihrer Fischerei in Unteruhldingen starten sie kurz vor Ludwigshafen, um ein Dutzend Netze auf dem Überlinger See, dem nordwestlichsten Teil des Bodensees zu kontrollieren. Zwei Tage zuvor hatte am 9. Dezember die Fischereiaufsicht den Startschuss für die Laichfisch-Fischerei auf Deutschlands größtem See gegeben. Die Eier der Felchen, auf die Vater und Sohn Knoblauch hier vor allem fischen, auch Große Maränen oder Renken genannt, werden für Besatzmaßnahmen an die Sammelstelle der Fischereiaufsicht abgegeben. Im kommenden Frühjahr können dann mehrere hundert Millionen Larven aus den Fischbrutanstalten wieder in den Bodensee gesetzt werden.
Die Oberfläche des Sees ist jetzt im Dezember und zu dieser Tageszeit nahezu leer, nur ein Boot der Universität Konstanz, Abteilung Fischökologie, fährt in Sichtweite. „Im Winter ist es schön – wenn die aus Konstanz nicht dabei wären, wären wir ganz alleine“, widerspricht Andreas Knoblauch dem zaghaft geäußerten Verdacht, die Bodensee-Fischerei könne in der wärmeren Jahreszeit angenehmer sein. Sommer, das bedeute auch Massen an Touristen, die mit ihren Booten den See bevölkern, ahnungslos Löcher in die Netze fahren. Und: „Im Sommer haben wir einen Zentner Eis dabei, den brauchen wir jetzt auch nicht“, argumentiert der Fischer.
Flächenerträge von unter 10 Kilo/Hektar
Bodensee-Fische aus eigenem Fang stehen im Mittelpunkt der Fischerei Knoblauch – vor allem Felchen und Kretzer bzw. Flussbarsch, aber auch Zander und Hecht.
Die hauptberufliche Bodenseefischerei im Jahre 2014/15 ist ein Gewerbe, das – kaum übertrieben – als Überlebenskampf bezeichnet werden darf. Für das Jahr 2013 spricht der Jahresbericht zur deutschen Binnenfischerei von 112 Hochseepatenten, die auf dem 460 km² großen Bodensee-Obersee ausgegeben wurden – davon 46 für baden-württembergische und 12 für bayerische Fischer, die übrigen für Österreicher und Schweizer. Das Fangergebnis 2013 der Berufsfischer am Obersee, dem eigentlichen Bodensee: 465 Tonnen. Während für jenes Jahr alle deutschen Regionen der Erwerbsfischerei leichte Zuwächse gemeldet hatten, waren die Erträge im Bodensee rückläufig. Mit einem Flächenertrag von nicht einmal 10 kg/ha bildete der See deutschlandweit nahezu das ertragliche Schlusslicht. Zurückgeführt wird der seit drei Jahrzehnten zu beobachtende Rückgang auf die kontinuierliche Abnahme des Nährstoffgehalts. „Wir haben zu wenig Phosphat im Wasser – die Fische wachsen viel langsamer“, erklärt Andreas Knoblauch. Die positive Kehrseite: Wasser- und Fischqualität sind sehr gut. „Wir haben schöne Fische, die langsam gewachsen und nachhaltig befischt sind – das gleicht vielleicht ein bisschen aus, dass man weniger fängt“, tröstet sich der Berufsfischer.
Felchen, Flussbarsche, Zander und Hecht
In den ersten Tagen der Laichfischerei sind es Bodennetze, die Andreas und Marco Knoblauch kontrollieren: in einer Höhe von zwei Metern stehen die Netze über dem Grund und fischen Silberfelchen, die sich dort zum Laichen aufhalten. Die aus den Maschen geklaubten Weibchen streift Marco in einer Kunststoffwanne ab. Nach jeweils ein paar abgelaichten Rognern wird das Sperma eines Milchners dazugegeben. Seewasser lässt die befruchteten Eier quillen, die in diesem Zustand unbeschadet einige Stunden überstehen. Neben den Felchen, die fast zwei Drittel der Bodenseefänge ausmachen, finden sich in den Netzen Kretzer oder Flussbarsche, in der Schweiz als Egli bekannt, Seesaiblinge sowie der eine oder andere Zander und Hecht. Unerwünschter Beifang sind Amerikanische Signalkrebse, die auch im Bodensee den deutschen Edelkrebs verdrängen. Als „Schädling“ gilt außerdem der Kaulbarsch, ein weiterer Neozon. „Das ist eine fremde, eingeschleppte Art, die den heimischen ‚richtigen‘ Kretzer verdrängt und Netzschäden anrichtet“, bemerkt der Fischer über diesen Nahrungskonkurrenten des Flussbarsches.
120 Kilo, ein „untypisch“ gutes Fangergebnis
Die eigene Verarbeitung in der „Fischhalle“ im Gewerbegebiet Unteruhlingen produziert vor allem für das eigene „Fischhaus Löwenzunft“ in Überlingen.
Als das Boot nach knapp zwei Stunden wieder das Ufer erreicht, können gut 120 Kilo Bodenseefische in den Transporter geladen werden. „Ein Spitzenergebnis, untypisch, das darf man nicht hochrechnen“, beugt Andreas Knoblauch einer möglichen Fehleinschätzung vor, „gestern hatte der Marco 40 Kilo, soviel hatten wir im Sommer den ganzen Monat nicht.“ Es gebe Tage mit Erträgen von einem Kilo oder einem einzigen Fisch: „Im letzten Jahr hatten wir zwei Tage, an denen wir zu dritt bei der Kontrolle von zwölf Netzen gar nichts hatten.“ Entsprechend heißt es auch im eingangs zitierten Bericht zur Binnenfischerei: „Betriebe, die sich ausschließlich auf den Fang und die Vermarktung von Fischen aus dem See konzentrieren, haben nach Einschätzung der Fischereiforschungsstelle kaum eine Perspektive.“ Doch das hat die Familie Knoblauch schon vor Jahren erkannt – und reagiert.
Konnten frühere Generationen der Fischerfamilie noch ganz auf die Fischerei setzen, haben Andreas Knoblauch und seine Frau Sonja den Familienbetrieb heute auf weiteren Standbeinen verankert: die eigene Verarbeitung in der „Fischhalle“ im Gewerbegebiet Unteruhlingen produziert vor allem für das eigene „Fischhaus Löwenzunft“ in Überlingen und schließlich ergänzen ein Gästehaus sowie ein Haus mit zwölf Ferienwohnungen das fischwirtschaftliche Kerngeschäft. In der Fischhalle werden auf einer Fläche von 400 Quadratmetern die Bodenseefische zusammengeführt mit zugekauften Meeresfischen und -früchten sowie Feinkostsalaten, ohne die das Geschäft heute kaum mehr wirtschaftlich zu führen wäre. Für Regenbogen- und Lachsforellen existiert eine Lebendhälterung mit drei Becken. Wöchentlich werden diese Zuchtfische aus der Quellwasserzucht Hofer im Schwarzwald angeliefert. In der Fischhalle dominiert Handarbeit, unterstützt von technischen Hilfen: eine Trommel zum Entschleimen, Fischentschupper, Absauger für die Eingeweide und Bauchraumbürsten.
Gläser- und Konserven-Produktion in der fangschwachen Zeit
Kern der Produktion sind zwei gemauerte Holzräucheröfen, in denen über Buchen- und Eichenholzrauch insbesondere Aale, Lachse und Felchen sowie Schwarzwaldforellen veredelt werden. Acht Beschäftigte schneiden hier Bodensee- und Meeresfische für Räucherei, Marinaden und Feinkost und die Frischfischtheke. Hier wird der Fischfond gekocht, hier werden gefrorene Exoten aufgetaut. Insbesondere die fangschwache Zeit wird genutzt, um Konserven zu produzieren. In einer Korimat-Einkochmaschine können Gläser und Dosen in Chargen von mehr als 100 Stück befüllt werden. „Wir wollen alle Mitarbeiter über den Winter bekommen“, erklärt Sonja Knoblauch. Die Gläser- und Dosen aus eigener Produktion tragen ihren Namen.
„Sonjas Spezialitäten“, das sind hausgemachte Fischsuppen in der Dose wie „Kürbissuppe mit Shrimps“, „Kräuter-Cremesuppe mit Bodensee-Felchen“ und die „Fischsuppe Löwenzunft“, oder Fischfonds im Glas wie der „Hummerfond“, für den Andreas Knoblauch eigens Hummerkarkassen kauft. Auch Lachsmaultaschen, in Scheiben geschnitten, werden mit Fischfond eingekocht und im Glas verkauft. An Soßen, die ausschließlich im Glas angeboten werden, gibt es etwa „Senfsoße“ oder „Meerrettichsoße“. Ebenfalls ein Knoblauch-Label tragen ein weißer und ein roter „Bodensee Fischer-Wein“: ein trockener Müller-Thurgau bzw. ein Spätburgunder-Rotwein.
Felchen nach „Bratherings-Art“
Produziert wird in der Fischhalle ganz überwiegend für das „Fischhaus Löwenzunft“ im Herzen der Altstadt von Überlingen, eine Kombination aus Fischfachgeschäft und Fischbistro mit offener Schauküche. In der Verkaufstheke des ganzjährig geöffneten Fischhauses erhalten die Kunden die Bodenseefische aus der Knoblauch-Fischerei und die Spezialitäten aus den eigenen Holzöfen, außerdem zugekaufte Meeresfische, Exoten und Meeresfrüchte.
Die meisten der angebotenen Feinkostsalate werden zugekauft, einige auch selber produziert. Zu den hausgemachten Spezialitäten gehört der Räucherfisch-Salat, der die geräucherten Filets von Felchen, Forelle und Stremellachs mit Tomate, Essiggurke und Lauch kombiniert. Auch das Brötchen-Sortiment ist eine Kombination aus Klassikern – Matjes, Bismarck, Lachs – mit den regionalen Spezialitäten, sagt Sonja Knoblauch: „Ab 11:00 Uhr gibt es unser Bratfischbrötchen mit Felchen vom Grill – abgebraten und dann einen Tag eingelegt in einem Zwiebelsud, damit die Filets den süßsäuerlichen Geschmack bekommen.“ Die Bodensee-Felchen „Bratherings-Art“ gibt es auch lose in der Theke. Der Klassiker Backfisch-Brötchen kommt in der „Löwenzunft“ als südliches „Backfischbrötle“ daher: statt mit Seelachs ist die Semmel mit paniertem, in Fett gebratenem Forellenfilet belegt.
„Fischsuppe Löwenzunft“: frischer Fond und Fisch
Das Fischbistro steuert im Sommer mehr als die Hälfte zum Umsatz bei, doch auch in der Wintersaison können die Tische um die Mittagszeit mehrmals belegt werden. „Mittags ist unsere stärkste Zeit, da arbeiten wir mit sieben Leuten, im Sommer meist mit 13“, sagt die Chefin, „dann haben wir neben den 35 Plätzen im Laden noch 100 Außenplätze, die wir zweimal belegen.“ Doch auch an einem Freitag in der Vorweihnachtszeit verlassen innerhalb von nicht einmal drei Stunden fast 200 Gerichte die kleine offene Küche. „Wir brauchen jeden Tag zwei Bain-Maries voll Fisch, zumal wir auch Fischsuppe machen, für die wir schöne, grätenfreie Würfel schneiden. Und wir haben viele Suppenesser.“ Von den täglich zur Auswahl stehenden Suppen ist die „Fischsuppe Löwenzunft“ ist klare Variante mit einem frisch zubereiteten Fond, frisch geschnittenem Lauch und Karotten: „Beides ist noch bissfest, hat noch seine leuchtend grüne bzw. rote Farbe. Und erst wenn der Kunde bestellt hat, wird die Suppe mit dem rohen Fisch kurz aufgezogen – so ist er nicht verkocht, sondern glasig, fein und in der Farbe erhalten.“
„Es gibt, was es gibt“
Die Speisekarte des Fischhauses ist nur grobe Richtlinie, der Kreidestift auf den blauen Angebotstafeln neben und über dem Tresen spiegelt das gleichsam stündlich wechselnde Angebot – denn insbesondere die Bodenseefische sind nur in begrenzter Menge vorrätig. „Wenn ein Fisch aus ist, wird das Produkt wieder gestrichen: ist Felchen aus, machen wir Lachsforelle oder Zander, wurde die letzte Portion Zander ausgegeben, machen wir Karpfen – die Kunden wissen, dass es gibt, was es gibt: bei uns musst Du Dich beeilen“, beschreibt Sonja Knoblauch die geradezu natürliche Knappheit. Dementsprechend ist auch der Fischteller – drei verschiedene Filets vom Grill mit einer Beilage nach Wahl – eine Wundertüte, vorgegeben vom Tagesfang. Aber: „Wenn wir – wie heute – Felchen haben, ist auf jeden Fall Felchen drauf.“ Ein Süßwasserfisch liegt in der Regel auf jedem Teller. Außerdem wird der „Überraschungsfischteller“ genutzt, um die Gäste auf einen neuen Geschmack zu bringen und für Artikel in der Frischetheke zu werben: „Zum Probieren legen wir zusätzlich mal ein Stück Thun- oder Schwertfisch dazu oder einen Heringssalat oder Brotaufstrich.“
„Abgerechnet wird am Ende des Jahres“
Wenn an schönen Sommertagen die ausgegebenen Essen nach Hunderten zählen, dann bekäme sie von Gästen Sprüche zu hören wie „Heute abend helfen wir Ihnen das Geld zählen“, beschreibt Sonja Knoblauch die Hochsaison, „doch abgerechnet wird am Ende des Jahres: im Sommer bekommen wir die Gelder ‚rein, die uns im Winter fehlen, denn dann sind wir trotz gutem Geschäft nicht ganz deckend.“ Dank Arbeitszeitkonten gelinge es der Familie jedoch, die Festangestellten ganzjährig mit einem gleichbleibenden Gehalt zu beschäftigen. Jenes halbe Dutzend wirtschaftlicher Säulen, auf die Andreas und Sonja Knoblauch ihre Fischerei gründen, macht es möglich, auch heute noch als Fischer vom Bodensee zu leben. bm
Beste Direktvermarktung ab Produzent des Jahres 2015