Barbara C. Riechers-Kuhlmann - Ehrenpreis Lebenswerk 2013
Seafood Star Ehrenpreis Lebenswerk für Barbara C. Riechers-Kuhlmann
Die Frau für den Fischereihafen
Barbara Riechers-Kuhlmann hat mit ihrer Persönlichkeit maßgeblich die Gestaltung des Fischereihafens Bremerhaven in der Infrastruktur und Firmenansiedlung geprägt. Ihr ist es gelungen, den Brückenschlag zwischen Fischereihafen-Betriebsgesellschaft (FBG), Fischwirtschaft, Wissenschaft und Politik zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu schaffen, ohne Fronten aufzubauen. Sie ist die kompetente Sachverwalterin für die Bremerhavener Fischwirtschaft – die Frau für den Fischereihafen.
Der Bremerhavener Fischereihafen ist ein ungewöhnliches Gewerbegebiet. Mehr als 90 Prozent aller Grundstücke und Gebäude auf der 600 Hektar großen Fläche befinden sich im Eigentum des Landes Bremen. Sie werden von der staatlichen Fischereihafen-Betriebsgesellschaft (FBG) verwaltet. Den Chefposten übernahm im Juni 2006 Barbara Riechers-Kuhlmann, die erste Frau in dieser Position in der damals 110-jährigen Geschichte der FBG. Hier zeigte sie sehr schnell, dass sie nicht nur über ein exzellentes Netzwerk in der Fischwirtschaft verfügt und insbesondere Projekte um das Schaufenster Fischereihafen vorantreiben konnte, sondern sich auch sehr schnell in die ihr damals noch nicht so vertrauten Bereiche der Immobilienwirtschaft, der Energie- und Wasserversorgung und der Technik einarbeiten konnte.
Die zentralen Wirtschaftsthemen Bremerhavens begleiteten sie zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahrzehnten. Seit Anfang der 90er Jahre bis zu ihrem Wechsel an die Spitze der FBG war sie beim Wirtschaftssenator verantwortlich für die Angelegenheiten Bremerhavens und der Fischwirtschaft. Die FBG war für sie immer mehr als die Verwaltung des mehr als 600 Hektar großen Gewerbegebietes. „Wir sind in erster Linie Dienstleister für die im Fischereihafen ansässigen Unternehmen, wollen ihnen Wege ebnen und Impulse für die weitere Entwicklung geben“, erklärte sie einer Tageszeitung zum Amtsantritt.
„Vertrauenspartner für die Unternehmen im Fischereihafen“
Eine Frau in einer von Männern dominierten Branche: „Ich habe es nie als Nachteil empfunden, als Frau in einer derartigen Situation zu sein, sondern eher als etwas Besonderes.“
Mehr als 350 Firmen sind rund um die beiden Becken des Fischereihafens in Europas größtem Produktionszentrum für Lebensmittel aktiv; neben der traditionellen Fischwirtschaft und der modernen Lebensmittelindustrie sind dort viele weitere Branchen vertreten. „Die FBG will den Unternehmen ein Vertrauenspartner sein“, erklärte Barbara Riechers-Kuhlmann 2006. Ein Ziel, das sie mit Bravour erreicht hat, wie ihr wohl viele Betriebe bestätigen werden. Die Kontakte zu den Betrieben sind dabei vielfältiger Natur: Die FBG verwaltet 740 Grundstücke und mehr als 1.000 Anlagen wie Gebäude, Straßen, Plätze, Leitungsnetze und Ähnliches, schafft die Infrastruktur für die Firmen und hält sie instand. Sie ist sogar Energieversorgungsunternehmen, das 90 Prozent aller Firmen mit Strom, Fernwärme und Wasser beliefert und die Abwasserentsorgung übernimmt.
Als Barbara Riechers-Kuhlmann den Chefsessel in der FBG übernahm, reizte sie allerding weniger die faktische Größe der Aufgabe, sondern vielmehr die Verantwortung und die Gestaltungsmöglichkeiten. „Wenn man Spielraum hat und ihn verantwortungsvoll nutzt, hat man mehr Spaß an der Arbeit“, lautet ihr Credo. Den Spielraum hat sie aber nicht für ihr eigenes Vergnügen genutzt, sondern für Bremerhaven. „Wenn wir in der FBG dafür sorgen, dass die Unternehmen zufrieden sind, sichert das Arbeitsplätze für die gesamte Region“. Dass sie bei den Gesprächen mit den Unternehmen in einer fast reinen Männerwelt „ihre Frau stehen“ musste, hat sie nie geschreckt. Im Gegenteil: „Ich habe es nie als Nachteil empfunden, als Frau in einer derartigen Situation zu sein, sondern eher als etwas Besonderes.“
Jederzeit ansprechbar, fair und kooperativ
Barbara Riechers-Kuhlmann ist jederzeit ansprechbar, fair und kooperativ in der Findung von gemeinsam getragenen und allseits akzeptablen Lösungen. Sie engagierte sich gleichermaßen im fischwirtschaftlichen Ausschuss der IHK, im Bremerhavener Matjesorden oder im Schaufenster Bremerhaven. Fisch stand immer im Mittelpunkt ihres Interesses und sie hat die Belange, Sorgen und Nöte des Fischereihafens offensiv und konstruktiv neutral in den Gremien der Bremer Politik oder des Bremerhavener Magistrats eingebracht. Sie hat maßgeblich an großen Projekten für Bremerhaven mitgewirkt, nicht nur aus dem Bereich Fisch. Projekte wie „neues Seefischkochstudio“, „Nordseemuseum“, „Hafenterrasse“, „Schaufenster Bremerhaven“ etc. sind unter ihrer Führung entstanden.
Der Fischereihafen Bremerhaven hat sich wieder zu einem marktbestimmenden Fischstandort in Deutschland entwickelt. Unternehmen wie die Deutsche See, Transgourmet Seafood, Castro Seafood, Sandelmann, Meereskost, Fiedler oder Nord Ostsee Marinaden, um nur einige zu nennen, haben ihre Standorte erweitert, umgebaut oder neu angesiedelt. Dabei spielte die professionelle Unterstützung der FBG immer eine entscheidende Rolle. Das Seefischkochstudio ist seit jeher Botschafter für guten Fisch aus Bremerhaven. Ob in der Berliner Senatskanzlei, auf diversen Messeveranstaltungen oder beim Bremerhavener Matjesfest, das Seefischkochstudio durfte nicht fehlen. Immer wieder stand dabei Barbara Riechers-Kuhlmann im Mittelpunkt des Geschehens und setzte sich vehement für den Standort Bremerhaven ein.
Mehr als 350 Firmen sind rund um die beiden Becken des Fischereihafens in Europas größtem Produktionszentrum für Lebensmittel aktiv; neben der traditionellen Fischwirtschaft und der modernen Lebensmittelindustrie sind dort viele weitere Branchen vertreten.
Das Areal ist heute einer der führenden Seefischmärkte in Europa, ein multifunktionales Gewerbe- und Industriegebiet sowie ein wichtiges Zentrum der deutschen Lebensmittelwirtschaft, in dem mehr als 8.000 Menschen arbeiten. Neue Segmente wie Tourisus, Biotechnologie und Windenergie konnten in den letzten Jahren erfolgreich in den Mix eingebaut werden. Um eine solche Entwicklung anzustoßen, braucht man eine profunde Sachkenntnis, und zwar Sachkenntnis, nicht bloß in diesem für Außenstehende schwer durchschaubaren Dschungel der EU-Förderrichtlinien, sondern auch Sachkenntnis über das Gebiet, für das man sich einsetzt – für Fisch. Sie ist die kompetente Sachverwalterin für die Bremerhavener Fischwirtschaft geworden und – so könnte man flapsig sagen – die Frau für den Fischereihafen.
Sachlich, kritisch, fröhlich
Bei ihren Partnern und Freunden in der Fischwirtschaft genießt Barbara Riechers-Kuhlmann einen ganz ausgezeichneten Ruf, weil sie immer den Nutzen und das Wohl der Fischwirtschaft im Auge hat. Sie engagiert sich für die gemeinsamen Ziele und bleibt dabei sachlich, aber auch kritisch – davon können viele in Bremerhaven ein Lied singen. Ihr etwas vormachen kann man zwar probieren, aber das führt oft nicht weit. Eine herausragende Eigenschaft ist ihre Durchsetzungsfähigkeit und Beharrlichkeit. Sie bleibt an den Themen dran und lässt nicht locker. Sie weicht nicht zurück, wer auch immer vor ihr steht, sie vertritt ihren Standpunkt, und zwar sehr ausdrücklich und sehr nachhaltig.
Sie steuert kreative Ideen bei und arbeitet alles ab. Es bleibt nichts liegen, sondern wird erledigt – ihre Arbeitsweise ist zielorientiert. Barbara Riechers-Kuhlmann produziert nicht zuerst eine große Bugwelle, sondern fängt direkt an zu arbeiten. Sie macht kein Aufhebens von ihrer Arbeit und ihren Erfolgen und kann mit Menschen umgehen, auch mit den etwas kantigen „Fischjungs“. Sie kümmert sich auch um kleine Anliegen, denn so ein Gebilde wie der Fischereihafen hat nicht nur große Projekte. Dass sie auch diese berücksichtigt, wird ihr sehr hoch angerechnet.
Schlechte Laune kennt sie nicht
Aber es sind nicht nur fachliche Fähigkeiten, die von der Wirtschaft geschätzt werden, sondern auch die angenehmen menschlichen Seiten. Selten sind in Führungspositionen Menschen zu finden, die so sehr in der Lage sind, auf die heute leider üblichen „Tricksereien“ für kurzfristigen Erfolg zu verzichten und stattdessen immer nur die Sache vorantreiben und nicht die Befriedigung persönlicher Eitelkeiten.
Mitstreiter hat sie vor allem deshalb gefunden, weil sie dabei in jeder Hinsicht verlässlich war. Gespräche, die unter vier Augen bleiben sollten, blieben auch unter vier Augen, so dass jeder, der einen vagen Gedanken hat, sich nicht zu scheuen braucht, ihn auch auszusprechen, um ihn von allen Seiten beleuchten und dann entweder weitertreiben oder zu den Akten legen zu können. Nicht vergessen werden darf, dass sie zwar ihre Rolle als Geschäftsführerin gegenüber dem Gesellschafter sehr ernst nimmt, dabei aber auch ein hohes Maß an sozialer Verantwortung hat, indem gute Arbeit nicht nur mit Worten anerkannt wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man lange suchen muss, um jemanden mit einer derartig hohen sachlichen Kompetenz zu finden, bei dem die menschliche Seite der Zusammenarbeit sich so erfreulich gestaltet wie bei Barbara Riechers-Kuhlmann. nik
Der Autor bedanke sich bei Peter Greim und Michael Penz, die mit ihren Erinnerungen wesentlich zu dieser Laudatio beigetragen haben.
Ehrenpreis Lebenswerk des Jahres 2013