Gieseler und Dornberger - Bester Newcomer Gründerpreis 2013
„Fischbar“, Kiel

„Fischbar“, Kiel

Fischimbiss 2.0:
Hochwertige Fischbrötchen aus der Region

Der durchschnittliche Fischimbiss ist weiß, unspektakulär, das Sortiment standardisiert. Mit ihrem Konzept ‚Fischbar‘ haben Daniel Gieseler und Philipp Dornberger gleichsam ein Update geschaffen: im stilvoll-chicen Ambiente werden Fischbrötchen serviert, die bis ins Detail durchdacht sind. Regionale, profilierte Lieferanten, ein nachhaltiges Beisortiment – angelegt auf Systemgastronomie.

Endlich! Endlich – dieses Wort habe ich in den letzten Monaten am häufigsten gehört: Endlich kann man in Kiel Fischbrötchen essen gehen.“ Ein halbes Jahr ist die „Fischbar“ an der Kiellinie alt, als Daniel Gieseler und Philipp Dornberger den Imbiss Ende Oktober für die Winterpause einmotten. Natürlich gibt es in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt auch anderswo Fischbrötchen. „Links steht die Vitrine mit Coca-Cola, zwischen grünen Kunstblumen liegen die Fischbrötchen. Die industriellen Fischfrikadellen nimmt der Händler aus der Styroporkiste“, so beschreibt Philipp Dornberger einen typischen Mitbewerber, „wenn Du ein Fischbrötchen für 1,50 Euro haben willst, bist Du bei uns an der falschen Adresse – das können und wollen wir nicht leisten.“ Dornberger, der weltgereiste Hotelfachmann, und Gieseler, gelernter Restaurantfachmann und selbständiger Gastronomieberater, sind beide 32 Jahre alt. Den Innovationsgrad ihres Konzeptes „Fischbar“ beschreiben sie pointiert auch awls „Imbiss 2.0“ – in Anlehnung an „Web 2.0“: eine neue Generation des Internets, interaktiv und kollaborativ, im Zentrum steht der Begriff „Social Media“.

„AAA-Lage“ direkt an der Kiellinie

Insofern ist naheliegend, dass die Fischbar über Facebook kommuniziert – nicht nur auf einer Business-Seite, sondern besonders auf einer Freundschaftsseite, bei der jeder Besucher zunächst anfragen muss, ob er „an Bord kommen“ darf. Über 650 Freunde listet die Seite nach einem Dreivierteljahr. Die reale Fischbar steht direkt an der Kiellinie, jener Hafenpromenade im Kieler Stadtteil Düsternbrook, an der wohl viele schon einmal promeniert sind. Direkt gegenüber der Reventloubrücke steht ein braun-schwarzer Seefahrtscontainer, holzverkleidet an Front und Seiten, eine blau-weiß gestreifte Markise, daneben eine Terrasse mit 40 Sitzplätzen und drei Strandkörben. Der Blick von hier ist reizvoll maritim: Hafenfähren legen an, Skandinavienfähren und Segler passieren. „Wenn die Sonne im Sommer untergeht, siehst Du im Osten den Goldschleier, das Wasser glitzert in der Abenddämmerung, die beleuchteten Kräne der Howaldtswerke HDW, Lichter der Marineschiffe“, beschreibt Daniel Gieseler eine pittoreske Szenerie und stuft sie als „AAA-Lage“ ein. Die Kieler lieben diese Fördepromenade nicht nur zur Kieler Woche.

Regionalität als Kernkonzept

Kernidee der „Fischbar“ ist Regionalität. „Wir setzen auf regionale Lieferanten. Bei Produkten, bei denen das nicht möglich ist, wollen wir zumindest wissen, wo sie herkommen“, erklärt Philipp Dornberger. Acht Fischbrötchen sind derzeit im Angebot. Für den Hecht-Backfisch liefert Fischmeister Gunnar Reese Hecht aus dem Selenter See, auch die Seefisch-Frikadelle wird bei Reese handgerollt, der in Rotwein eingelegte Hering wird dort mariniert. Der Goldrauch-Matjes ist ein „Original Glückstädter Matjes“ aus der Manufaktur von Henning Plotz, Fischsuppe und Nordseekrabben stammen von Alfred Urthel aus Friedrichskoog. Beim Lachs gestaltete sich die Lieferanten-Suche etwas langwieriger, erinnert sich Daniel Gieseler: „Biolachs aus Irland kannst Du nicht bezahlen. Und zunächst hatten wir niemanden gefunden, der uns verraten wollte, wo der Räucherlachs herkommt, ob er frisch oder tiefgekühlt ist.“ Jetzt veredelt die Lachsmanufaktur Hansen im schleswigschen Handewitt Norwegerlachs von einem kleineren Züchter zu kalt geräuchertem Hibiskus-Pfeffer-Lachs.

„Jeder Fisch verdient sein eigenes Brötchen“

„Fischbar“, Kiel
Für den Hecht-Backfisch liefert Fischmeister Gunnar Reese Hecht aus dem Selenter See, auch die Seefisch-Frikadelle (Bild: vorne) wird bei Reese handgerollt, der in Rotwein eingelegte Hering wird dort mariniert.
Eineinhalb Jahre haben die Fischbar-Aktivisten an Produkten und der Corporate Identity gearbeitet. Wichtig beispielsweise ist nicht nur der Fischbelag. „Jeder Fisch verdient sein eigenes Brötchen“, betont Philipp Dornberger. Zweieinhalb Monate lang wurden gemeinsam mit dem Kieler Bäckermeister Moritz Günther Brötchen entwickelt und auf den jeweiligen Belag abgestimmt: wie muss es aussehen, wie schmecken, wie fluffig muss es sein ? Die Resultate: der Goldrauch-Matjes hat ein dunkles Brötchen erhalten, kräftig im Geschmack, die Fischfrikadelle harmoniert mit einem Weizenbrötchen – „Aber auch das kann man anständig machen!“ – und das Maismehlbrötchen unterstreicht „unfassbar gut“ den Geschmack des marinierten Lachses. Die Folge dieses Finetunings: „Die Leute kommen sogar sonntags her, um unsere Brötchen zu kaufen.“

Die Saucen, die den Fisch begleiten, sind – bis auf die Mayonnaise – selbst kreiert und handgemacht: „Fischers Remoulade“, Honig-Senf-Sauce und ein selbstgekochter Ketchup, der mit fünf Prozent Zuckeranteil auskommt. Die Pommes Frites von Dolli Amberger sind aus deutschen Kartoffeln geschnitten und waren nicht gefrostet. Der Kaffee wird im holsteinischen Bad Bramstedt von ‚Vicci Caffe‘ geröstet: „Der legt Dir nicht den Magen lahm, bei dem hast Du Lust auf eine zweite Tasse.“ Nicht nur was Du isst, sondern wie Du es isst, bestimmt den Wert, mag man beim Blick auf die Kaffee-Milch aus dem stilvollen Glasfläschchen denken. Die Pommes in der Dreieckstüte werden im tönernen Blumentopf serviert. Im Weckglas gibt es zwei Kuchensorten – das Glas sieht nicht nur ansprechend aus, sondern hält die Backwaren frisch. Ein Hingucker sind die Schoko-Cookies in Fischform (95 Gramm das Stück für 1,- Euro) – „die laufen wie Hulle“, meint Dornberger. Die junge Keksbäckerin Baldrun hat sich dank des Erfolgs an der Fischbar inzwischen selbständig gemacht.

Individuell und stilvoll

„Fischbar“, Kiel
Daniel Gieseler und Philipp Dornberger mit ihrem Verkaufsteam: „Du wirst geduzt und kriegst als Gast auch mal einen Spruch aufgedrückt – aber das wollen die Gäste.“ Von links: Daniel Gieseler, Baldrun, Janine, Cora, Philipp Dornberger, Adriana.
Stilvolle Details schaffen Kundenbindung. Wird ein Fischbrötchen zum Mitnehmen in Butterbrotpapier eingepackt, schreiben die Mitarbeiterinnen einen individuellen Spruch auf‘s Papier – „Ahoi!“, „Lass es Dir schmecken!“ – oder ihre Telefonnummer, ergänzt Daniel Gieseler schelmisch. Überhaupt ist jedes Brötchenpapier mit einem Fischbar-Stempel versehen – handgestempelt von den Mitarbeitern in Leerzeiten.

Nach sechs Monaten hat Daniel Gieseler das Gefühl, „er mache seit zehn Jahren nichts anderes als Fischbrötchen verkaufen.“ Das Fazit: es geht in die Knochen, aber es macht Spaß. Erfolgreich war die Fischbar auch in Sachen Weinverkauf. „Wir haben hier abends einen Absatz an Flaschenweinen, von dem mancher Gastronom träumen würde“, gesteht Philipp Dornberger. Im Angebot sind ein Riesling, ein Silvaner, Rotwein und ein Rosé. „Wir sind ein Imbiss, aber wir sind ein chicer Imbiss, bei dem man auch ein ordentliches Glas Wein für einen absolut fairen Preis bekommt.“ 14,50 Euro die Flasche seien für die Location günstig, die Flasche Bier kostet 1,90 Euro, die Tasse Kaffee 1,50 Euro. In sechs Monaten sind in der Fischbar gut 1.300 Flaschen Wein über den Tresen gegangen.

Die mobile Fischbar: „Ein Imbiss, der chic ist“

Nach Saisonende an der Kiellinie setzen die beiden seit November auf jenes Verkaufsmobil, das ursprünglich statt des Containers auch an der Förde hatte stehen sollen. „Wir wollten einen Imbiss, der chic ist“, beschreiben sie ein Fahrzeug, das stilistisch das Design der stationären Fischbar aufgreift. Ein alter weiß-roter Bäckereiverkaufswagen erhielt eine anthrazitfarbene Lackierung, unterhalb der Verkaufsklappe auf Holzoptik der Schriftzug „Fischbar“. Ansprechend warm ist auch der Innenraum gestaltet: Wände und Fußboden sind aus PVC in Holzoptik. Die Theke gliedert sich von links nach rechts in eine von Kundenseite zu öffnende Getränkevitrine, die hinter schwarzer Tafelfolie verborgene gekühlte Belegstation und schließlich die Brötchen, präsentiert auf Tellern der Hamburger Manufaktur „Ahoi Marie“ (Porzellan: Kahla), die wiederum auf edlen schwarzen Schieferplatten stehen.

Langfristig auch in anderen Städten

Die Hinterwand dominiert mittig ein schwarzer Mikrowellen-Ofen. Teils metallene, teils weiß lackierte Sturmlaternen sorgen für stimmungsvolle Beleuchtung, ein Ensemble aus Holzkisten mit Dünengras und hölzernen Stühlen lädt vor dem Wagen zum kurzen Verweilen ein. Wie im Container auch sind Produktion und Bezahlvorgang sauber getrennt, arbeiten immer zwei Leute im Verkaufsmobil: „Du bestellst und zahlst auf der rechten Seite und erhälst Dein Brötchen auf der linken.“ So wie auf Produkthygiene geachtet wird, so bewusst gehen Dornberger und Gieseler im Kundenkontakt mit der Sprache um, angefangen beim durchgängigen Duzen als Konzeptelement: „Der Matjes-Plastikeimer wird zum ‚Fass‘, denn der Kunde will nicht hören, dass der Fisch ‚im Eimer‘ liegt. Und die Mikrowelle ist bei uns ‚der kleine Ofen‘, denn eine Mikrowelle wird mit Tiefkühlware verbunden.“

Ihrer Kundschaft mussten die beiden Newcomer versprechen, dass sie im April 2013 wieder an der Kiellinie sind. Bis dahin sind sie vor allem im Kieler Stadtgebiet unterwegs: zum zentralen Wochenmarkt auf dem Exerzierplatz, mit Sondergenehmigung am Hauptbahnhof, am Sonnabend in der Fußgängerzone Holstenstraße und an sonnigen Winterwochenenden auch am gewohnten Standplatz an der Kiellinie. Ab kommendem Frühjahr sollen das Mobil und die Fischbar an der Kiellinie parallel gefahren werden. „Im nächsten Jahr wollen wir drei Fischbars in Kiel haben und langfristig soll es uns auch in einigen anderen Städten geben“, kündigen die Fischgastronomen an. Wichtig: „Die Fischbar braucht immer die Nähe zum Wasser – ob in Hamburg an der Alster oder in Hannover am Maschsee.“ bm

Bester Newcomer Gründerpreis des Jahres 2013
Gieseler und Dornberger
Norddeutsche Straße 39
24143 Kiel
eMail: info@myfischbar.de
Internet: www.myfischbar.de
Telefon: 0160/ 97 02 43 50
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