Rainer Backhaus - Ehrenpreis für das Lebenswerk 2025
Rainer Backhaus

Rainer Backhaus

„Ich verkaufe Fisch“

Dass Fisch jung hält, verkörpert kaum jemand besser als Rainer Backhaus, der sich im September 2024 nach fast 50-jähriger Karriere im Fischhandel in den ‚Unruhestand‘ verabschiedet hat. Nach einem steilen Aufstieg bei der Nordsee wechselte er 1996 als Marketingmanager zu Deutsche See und gilt in der Branche als das Gesicht des Bremerhavener Großhandels.

Sommerfeste beim Bundespräsidenten, Messen im In- und Ausland, Empfänge für ausländische Botschafter, Konferenzen wie der Fischwirtschafts-Gipfel in Hamburg und auch das Betriebsfest für die eigenen Mitarbeiter: Überall dort, wo die Fischmanufaktur Deutsche See in den letzten Jahrzehnten öffentlich in Erscheinung getreten ist, zog Rainer Backhaus im Hintergrund die Fäden, hat aber immer auch selbst mit angepackt, für Fisch geworben, Produkte erklärt, Vorurteile entkräftet und dabei mit seiner natürlichen Fröhlichkeit, dem charismatischen Lachen und dem stets präsenten „Daumen hoch“ für Fisch und Meeresfrüchte geworben. Das fällt ihm leicht, denn er ist ein Mensch, dessen Tun und Handeln einer inneren Überzeugung entspringen. „Als ich am Anfang meiner Karriere bei der Nordsee von Freunden meiner Eltern nach meiner Ausbildung gefragt wurde, antwortete ich: ‚Ich verkaufe Fisch‘ und erntete dafür Bedauern und Mitgefühl“, erinnert er sich kopfschüttelnd an die Situation. Dabei wusste er damals schon: „Wir handeln das geilste Produkt ever!“ Und diese Überzeugung spiegelt sich in seiner Karriere wider.

Nach seiner dreijährigen Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel bei der Nordsee in Peine stieg er schon nach wenigen Monaten zum Filialleiter „zur besonderen Verfügung“ in der Region Hannover auf, war also Springer, der immer dort eingesetzt wurde, wo Hilfe dringend nötig war, bis er die Filiale in Alfeld an der Leine fest verantwortete. „Es gibt dort eine schöne Landschaft, aber sonst nicht viel“, erinnert er sich grinsend an die Zeit. Und da dort in der Funktion des ­Filialleiters auch schon das Ende der Karriereleiter in Sicht war, verließ er die Nordsee, holte das Abitur nach, reiste durch die Welt und absolvierte als überzeugter Pazifist seinen Zivildienst: „Der Tag meiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer war bis dato der schönste in meinem Leben“, unterstreicht er mit Nachdruck. Sechs Jahre lang hatte Rainer Backhaus sich dafür durch mehrere Gerichtsinstanzen gekämpft.

Erfolgreich in der Krise

Neu motiviert und mit höherem Schulabschluss heuerte er vier Jahre nach seinem Weggang wieder in gleicher Position als Filialleiter bei der Nordsee an, übernahm kurz vor der Nematodenkrise die Filiale in Wolfsburg und führte diese trotz der für die gesamte Fischbranche desaströsen Entwicklung unter die Top 5-Filialen des Unternehmens. „Ich bin mit einem neu gestylten Laden in die Krise gestartet, aber wir hatten damals das größte Blattsalatgeschäft der Nordsee und haben statt Garnelen einfach Schafskäse als Topping genommen“, beschreibt er heute mit Understatement das flexible Umschalten und die kreative Neuausrichtung des von ihm verantworteten Stores. Das brachte 1991 einen weiteren Karriereschub zum „Manager für Sonderaufgaben“ bei der Nordsee Direktion Hannover. Als solcher befasste er sich mit der Entwicklung von Schulungskonzepten für die Mitarbeiter in Verkauf und Gastronomie, hielt dabei immer Kontakt zur Werbeabteilung und wurde schließlich Werbeleiter der Nordsee in der Zentrale in Bremerhaven. Er war Teil des Teams, das 1996 mit großer Öffentlichkeitswirkung das 100-jährige Jubiläum des Unternehmens organisierte.

Es folgte der einzige Arbeitgeberwechsel seiner Karriere, wobei seine Wirkungsstätte nahezu unverändert blieb. Von der Nordsee-Zentrale wechselte er in der Funktion des Marketing Service Managers zur Zentrale von Deutsche See. Beide Unternehmen sind in Bremerhaven beheimatet und gehörten zum damaligen Zeitpunkt gemeinsam zum Unilever-Konzern.

Rainer Backhaus
Rainer Backhaus auf dem Fischwirtschafts-Gipfel 2022. Hier zusammen mit Fischsommelière Heike Balsen und Produktentwickler Jürgen Graf.


Influencer in Sachen Fisch

Vom Auszubildenden in der Nordseefiliale bis zum Marketingleiter von Deutschlands umsatzstärkstem Fischgroßhandel war es ein langer Weg, aber das Lebensmotto „Ich verkaufe Fisch“ hatte weiter Gültigkeit. Nach dem direkten Verkaufsgeschäft an den Kunden änderte sich seine Aufgabe hin zum Marketing bei Politik, Köchen, Verbänden und anderen Multiplikatoren, was als generische Werbung der gesamten Fischbranche zugute gekommen sein wird. Rainer Backhaus war in Sachen Fisch schon Influencer, bevor die Gen Z diese Berufsbezeichnung für sich entdeckte. Und er machte das ausschließlich analog, mit Charme, Fleiß und intrinsischer Motivation. So brachte er das Thema Fisch für sein Unternehmen auf Bundespressefeste und war regelmäßig bei Empfängen von mehreren Bundespräsidenten dabei. Auch als König Harald von Norwegen auf Staatsbesuch war, musste er dabei dank Deutsche See und Rainer Backhaus nicht auf Fischprodukte verzichten. Regelmäßig verschaffte der Markingleiter dem Produkt Fisch auch in den Landesvertretungen in Brüssel und beim Bund Aufmerksamkeit. Er brachte „Fisch auf den Berg“ und organisierte den „Sterne-Cup der Köche“ in Ischgl, ein Treffen von Sterneköchen, die sich auf 3000 Metern Höhe einen Wettbewerb um das beste Fischrezept lieferten. Unter seine Ägide fällt auch das Sportsponsoring für den Deutschen Fußballbund (DFB), wo man sich als Partner für die Heimspiele der Fußballnationalmannschaft der Männer engagierte. Aber auch der örtliche Basketballverein der Eisbären Bremerhaven wurde von Deutsche See unterstützt. Überhaupt ist er in seiner Heimatstadt bestens vernetzt und engagiert in vielen Arbeitsgruppen, etwa beim Windjammerfest Sail, beim Bremerhavener Wirtschaftsdialog und nicht zuletzt auch beim Fischkochstudio. Die Liste seiner Projekte und seines Engagements ließe sich beliebig fortsetzen.

Pünktlichkeit als Tugend

Rainer Backhaus ist in seinem Beruf in der Organisation von Veranstaltungen aufgegangen, hat Teams geleitet und Menschen zusammengeführt. „Für mich zählt der Mensch und ein menschlicher Umgang miteinander. Die Schwächen des anderen zu tolerieren und zu akzeptieren ist wichtig“, betont er. Wer daraus schließt, dass er langmütig sei, irrt jedoch: „Ich kann mich richtig aufregen, wenn etwas nicht funktioniert, werde aber nie persönlich. Es geht mir um die Sache und nicht darum, recht zu haben.“ Pünktlichkeit ist eine Tugend und ein Charakterzug von Rainer Backhaus und er erwartet das auch von seinem Gegenüber. Wen wunderts bei einem Job, der so von Planung, verbindlichen Absprachen und Termintreue lebt ? Ein Fazit im Blick zurück lautet, dass „der Stellenwert von Fisch und Meeresfrüchten in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen ist und es gilt heute noch mehr als früher, dass wir mit einem der interessantesten und leckersten Produkte der Lebensmittelbranche arbeiten“.

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Rainer Backhaus mit Ex-Geschäftsführer Bundesmarktverband der Fischwirtschaft Dr. Matthias Keller


Was bleibt, was kommt?

Was bleibt nach seiner Zeit bei Deutsche See? Der Gummibaum und der Schreibtischstuhl aus seinem Büro sind ihm so ans Herz gewachsen, dass er auch künftig nicht darauf verzichten will. „Der Schreibtischstuhl, weil es eine solche Qualität heute nicht mehr gibt. Und der Gummibaum, weil er Geschichten gehört hat, die uns ewig verbinden“, lacht Backhaus.
„Ich genieße es jetzt, meine Zeit selbst gestalten zu können, denn in den letzten Jahren waren die Termine immer eng gesetzt, da blieb kaum Raum für Spontaneität“, antwortet Rainer Backhaus auf die Frage, worauf er sich in der Rente am meisten freut. Und schiebt mit seiner ihm eigenen jugendlichen Verschmitztheit und einem Augenzwinkern hinterher, dass er auch künftig verdeckte Store-Checks machen wird, sich als begeisterter Fischkoch an der Bedientheke informiert und dann im Bedarfsfall gute Tipps an die Verkaufskräfte zurückspielen wird. Man glaubt es ihm aufs Wort. Wie heißt es doch so schön: Einmal Fisch, immer Fisch! Auch wenn er nach 50 Jahren in der Fischwirtschaft, nach seiner Tätigkeit als Manager bei zwei wichtigen großen Akteuren der Branche in Rente geht, wird er doch weiter für den Fisch werben und wirken. Daumen hoch dafür. Lieber Rainer, alles Gute!

Ehrenpreis für das Lebenswerk des Jahres 2025
Rainer Backhaus