Fischfeinkost Baier GmbH - Herausragendes Engagement für Nachhaltigkeit 2024
Fischfeinkost Baier, Börnsen

Fischfeinkost Baier, Börnsen

Nose-to-tail-Philosophie im Fischfachhandel

Sebastian Baier ist Fischhändler in dritter Generation und geht fundamental neue Wege, denn er ist ein konsequent ressourcenschonend handelnder Mensch, der das Thema Nachhaltigkeit an der Leuphana-Universität in Lüneburg studiert hat. Eine Frischfischauslage ohne Eis, der Verzicht auf Fisch aus mariner Aquakultur, eine konsequente Einkaufspolitik bei Wildfisch außerhalb der Laichsaison und die Nose-to-tail-Philosophie zur möglichst vollständigen Verwertung der Rohware kennzeichnen sein Unternehmen.

Der Wochenmarkt im Hamburger Stadtteil St. Georg ist klein und überschaubar. Aber er bietet eine Besonderheit, denn dort findet sich „Deutschlands erste Fischschlachterei“, die ungewöhnliche Kreationen wie Waller Salsiccia, Thüringer vom Zander, Leberwurst vom Bio-Saibling, Maifisch nach Matjes-Art und Stinte nach Anchovis-Art anbietet. Hinter dem Konzept stehen Sebastian Baier und sein Team. Natürlich führt man auch frischen Seefisch im Angebot, aber ein besonderes Augenmerk liegt bei Süßwasserfischen wie Karpfen oder Wels. „Diese Fischarten sind schon fast in Vergessenheit geraten. Wir verarbeiten sie aber sehr gerne, und zwar wie in einer Schlachterei. Dadurch entstehen ganz neue Kreationen. Wir stellen Schinken aus dem Dry Ager her, produzieren Wurst und luftgetrocknete Salami vom Karpfen“, hebt Baier hervor. „Wir konzentrieren uns beim Einkauf auf regionale Fischereien, die ihren Fisch nachhaltig mit Stellnetzen und Reusen aus dem Fluss fangen. Wir unterstützen damit die kleinen Fischfangbetriebe an der Elbe und der Schlei, in Brandenburg und Schleswig-Holstein.“

Frischfischpräsentation ohne Eis

Der junge Fischhändler hat sich seit der Übernahme des elterlichen Geschäftes einen Ruf als konsequent nachhaltig handelnder Unternehmer erworben, der Bestehendes hinterfragt und Neues durch eigene Entwicklungen vorantreibt. Augenfällig wird das zum Beispiel in der Auslage seines neuen Fischmobils, mit dem er auf Wochenmärkten in und um Hamburg unterwegs ist. Die Frischfischpräsentation verzichtet komplett auf Kühleis, was von drei unterschiedlichen Veterinären abgenickt worden ist. „Die Veterinäre haben uns bestätigt, dass wir hinsichtlich Kühltemperatur und Keimbelastung alle Vorgaben einhalten. Die haben gelobt, dass wir keine Feuchtigkeit in der Theke haben, denn dadurch ist der Hygienestatus im gesamten Wagen besser“, so Baier.

Die Kühltemperatur von maximal zwei Grad in der Theke wird zuverlässig durch eine Kombination von Verdampfer- und Kontaktkühlung erreicht. Damit die Ware nicht direkt auf das Blech gelegt werden muss, nutzt man Schieferplatten, die nicht nur ästhetisch aussehen, sondern auch eine optimale Temperaturleitfähigkeit haben. Außerdem verzichtet man bei Filetware auf große Warenstapel in der Auslage, damit auch die zuoberst liegenden Scheiben von der Kontaktkühlung profitieren. Der Warenvorrat wird in Schubladen unter der Auslage aufbewahrt, wo er von Folie abgedeckt bei ebenfalls zwei Grad lagert.

„Wir erreichen gegenüber der Präsentation in Eis fast eine doppelt so lange Haltbarkeit unserer Ware, weil der Fisch in der Theke an Feuchtigkeit verliert, statt in der Feuchtigkeit zu liegen und diese aufzusaugen. Dadurch gewinnt der Fisch an Aroma, was uns von den Kunden bestätigt wird“, hebt Sebastian Baier hervor, der sich durch die neuartige Präsentationsform außerdem über eine Energie- und die Kostenersparnis freuen kann: „Eis ist bei der Produktion und dem Transport auf dem Wagen ein Kostenfaktor, der bei mir entfällt. Ich spare monatlich rund 1000 Euro, die ich in die Finanzierung des Marktwagens investiere.“

Nose-to-tail-Philosophie für den Fisch

Einen konsequenten Ansatz vertritt der junge Fischhändler in der Verwertung der Fischteile, die sonst in der Regel weggeworfen werden, wie zum Beispiel Köpfe, Augen, Innereien, Haut oder Blut. „Es ist nicht richtig, dass wir bei manchen Tieren bis zu 60 Prozent des Schlachtgewichts achtlos wegwerfen, weil wir uns beim Konsum nur auf die Filetteile konzentrieren.“ Nach der Nose-to-tail-Philosophie sei es anständig, möglichst alles von einem geschlachteten Tier zu essen – auch bei den Fischen. Fangen wir bei den Köpfen an, die – nachdem die Augen ausgelöst sind – zu einer Fischkopfsülze verarbeitet werden. „Das ist nicht aufwendig und wertvolle Nährstoffe vom Fisch stecken auch im Kopf.“ Die Augen, vor allem die von Tintenfisch und Kabeljau, werden püriert und zusammen mit Tapiokamehl (wird auch für Krabbenchips eingesetzt) vermengt. Daraus werden Gebilde in Form von Korallen geformt, die mit Kalmar-Tinte gefärbt und sechs Stunden im Ofen getrocknet werden: Fertig sind die ‚Augenchips‘, die unter diesem Namen – man mag es glauben oder nicht – auch verkauft werden.

Skrei-Wings und Gaumenfleisch vom Seeteufel

Fischfeinkost Baier, Börnsen
Sebastian Baier handelt beim Wildfisch nur solche Ware, die mit der Langleine oder mit großmaschigen Netzen gefangen wird. Fische aus Schleppnetzfischerei oder solche, die in ihrer Laichzeit gefangen werden, lehnt der Händler kategorisch ab.
Weiter zu den Innereien der Fische, zu Herz und Milz, die nach der Entnahme eingesalzen und einmal pro Woche geräuchert werden. In diesem Zustand ergeben sie zusammen mit den Karkassen der gereiften Fische die perfekte Basis für die hauseigene Fischsauce. Die Lebern der Fische werden zu Pastete verarbeitet, die als ‚Gruß aus der Küche‘ im Bistro auf den Tisch kommt. Das Blut vom Kabeljau wird zur Herstellung von Blutwurst genutzt und die Haut vom Rotbarsch zu einer krossen Kruste verarbeitet. Dafür wird sie zunächst vier Stunden im Ofen getrocknet und dann im heißen Fett ausfrittiert. Die Schuppen sollen dabei ähnlich aufpoppen wie Mais zu Popcorn wird. „Die enthalten viel Calcium und crunchen beim Reinbeißen so richtig. Das macht die Menschen glücklich“, beschreibt der experimentierfreudige Baier seine Erfahrung. „Wir müssen nur in die alten Bücher schauen. Dort kann man lernen, wie das ganze Tier verwendet wird. Unsere Großmütter hatten für alles eine Verwendung. Bei der Umsetzung vom Fleisch- auf den Fischbereich ist viel schiefgegangen, aber ich habe eine kindliche Freude am Ausprobieren.“ Man glaubt es dem kochaffinen Fischhändler aufs Wort. Am Tag unseres Besuches auf dem Wochenmarkt lagen die Kragenknochen vom Skrei als „Skrei Wings“ in der Auslage. Direkt daneben wurde Gaumenfleisch vom Seeteufel angeboten – ausgelöstes Kehlfleisch aus dem Kopf des Fisches, der bis zu zwei Drittel des Gewichtes vom Tier ausmacht und in der Regel einfach entsorgt wird. „Nachhaltigkeit hat für mich nichts mit Verboten zu tun, sondern damit, kreativ mit den Dingen umzugehen, die sonst häufig weggeworfen werden“, erklärt er die ungewöhnlichen Angebote.“

Dry-Aged-Verfahren vom Fleisch auf den Fisch übertragen

Mit 12 Jahren hat Baier seinen Vater das erste Mal auf einer Verkaufstour in dessen Fischwagen begleitet. Nach dem 24. Geburtstag ist er dann ins Familiengeschäft eingestiegen und hat es nach sechs Jahren komplett übernommen. Neben der neu gebauten Produktion und dem Fischverkaufsladen in Börnsen hat er dabei auch ein in die Jahre gekommenes Fischverkaufsmobil des Vaters übernommen, das er vor einem Jahr durch das moderne Verkaufsfahrzeug ersetzt hat. Integriert ist dort eine einsehbare Klimakammer, in der Dry-Aged-Fisch aufbewahrt und präsentiert wird.

In den letzten Jahren hat Baier intensiv getüftelt und das Dry-Aged-Verfahren vom Fleisch auf den Fisch übertragen. Mit der trockenen Reifung des Fischfleischs stellt er sich dem kompromisslosen Frische-Denken gegenüber, das sonst in der Branche verfolgt wird. Gekauft werden die großen Fische mit Kopf und Innereien, denn auch die will der Vordenker möglichst weitgehend verarbeiten, siehe oben. In seinem Betrieb in Börnsen werden die Tiere ausgenommen und sauber gemacht. Kopfüber lässt er sie ausbluten, wobei auch das Blut für die spätere Weiterverarbeitung aufgefangen wird. Die Fische reifen so je nach Spezies bis zu drei Wochen, wobei sie jeden Tag kontrolliert werden. Den Gewichtsverlust durch den Wasserentzug beziffert Baier auf bis zu 30 Prozent vom Ausgangsgewicht. „Das Wasser verschwindet, aber der Fisch bleibt durch das Fett saftig. Der Geschmack wird aromatischer und bei einigen Arten verbessert sich auch die Fleischtextur“, beschreibt er das Ergebnis. Veredelt hat Sebastian Baier auf diese Weise schon eine ganze Reihe verschiedener Spezies, darunter Bernsteinmakrele, Heilbutt und Zahnbrasse. Tendenziell bilden die Fisch dabei eine leichte Umami-Note aus. Mit dem japanischen Begriff umami bezeichnet man einen Geschmack abseits der üblichen vier Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter. Die Geschmacksqualität wird als herzhaft-intensiv, fleischig beschrieben.

Haben die Fische den richtigen Reifegrad erreicht, werden sie filetiert, zerteilt und verkauft. Neben dem ‚normal‘ gereiften Fischfleisch bietet Baier auch höher verarbeitete Produkte an. Aus dem sehr fettigen Bauchlappen des Heilbutts wird Speck hergestellt, aus dem Schwanzstück der Bernsteinmakrele luftgetrockneter Schinken. Dafür wurde das Fleisch zunächst drei Wochen gereift, dann eine Woche gepökelt, darauf vier Wochen in Beize gelegt und schließlich vier Wochen an der Luft getrocknet. Ein absoluter Genuss.

Fischfang nur außerhalb der Laichzeit und mit der Langleine

Fischfeinkost Baier, Börnsen
Durch den Verzicht auf die Produktion und den Transport von Eis spart der Händler monatlich rund 1000 Euro. Außerdem verlängert sich nach seiner Aussage die Haltbarkeit der Ware in der Theke erheblich.
Auf positive Resonanz bei den Kunden stößt, dass er nur solche Tiere kauft, die mit der Langleine oder mit großmaschigen Netzen gefangen worden sind. Fische aus Schleppnetzfischerei oder solche, die in ihrer Laichzeit gefangen werden, lehnt er kategorisch ab. Auch der konventionellen Aquakultur steht er skeptisch gegenüber und setzt stattdessen möglichst auf Wildfang oder aber auf besondere Zuchtkriterien. Der Frischlachs zum Beispiel stammt aus der Ostsee (Wildfang) oder als Zuchtware aus Neuseeland (Ora King Lachs) sowie aus Schottland (Label Rouge). Thunfisch wird überhaupt nicht gehandelt und die einzige Garnele im Sortiment wird vor dem Senegal mit Reusen gefischt. Die Jakobsmuscheln stammen nicht aus Dredgenfischerei, sondern werden von Hand vom Meeresboden geholt – die Liste der nachhaltigen Produkte ließe sich lange fortsetzten. „Ich will mit meiner Haltung nichts verbieten und die Kunden nicht belehren. Ich möchte einfach eine bessere Alternative anbieten und erklären, warum ich das für sinnvoller halte.“ Wer glaubt, dass eine so konsequente Nachhaltigkeitsphilosophie nur eine bestimmte Kundschaft überzeugt, irrt sich. „Ich habe hier keine Ökos mit Rasterlocken, sondern eine gutbürgerliche Klientel. Nachhaltiges Denken und Handeln ist längst schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, unterstreicht Baier.

Verzicht auf Fisch aus mariner Aquakultur

Fische aus mariner Aquakultur sucht man bei ihm aufgrund der damit verbundenen Probleme vergeblich. Nur der Lachs, des Deutschen liebster Fisch, ist davon ausgenommen. Er stammt aus einer schottischen Bio-Farm. Fische aus Wildfang gibt es konsequent nur außerhalb von deren Laichsaison, weil es diese unabhängig von gesetzlich geregelten Fangzeiten und Mengen zu berücksichtigen gelte. Rotbarsch zum Beispiel, ein weiterer Klassiker im Fischhandel, findet sich bei ihm nur von Juli bis Dezember in der Theke. Gefährdete Arten wie den Blauflossen-Thunfisch handelt er prinzipiell nicht – auch nicht auf Bestellung.

Gerade im Winter sei das Angebot durch diese Einkaufspolitik manchmal sehr begrenzt, aber da empfehle und führe er dann „leckere und gesunde Fische, die viele kaum noch kennen.“ Bastard-­Makrele zum Beispiel oder Stöcker-Makrele, für die es gesunde Bestände in der Nordsee gäbe. Auch Tintenfisch (Pfeilkalmare) aus Dänemark, Lumb und gestreifter Steinbeißer liegen dann neben Schellfisch, Seelachs und Hering in der Auslage. In den kalten Monaten gäbe es auch viel Wildlachs aus der Kieler Förde und zum absoluten Top-Seller in dieser Jahreszeit hat sich in Börnsen der Skrei entwickelt. Das Sortiment wird im Süßwasserbereich ergänzt um Naturland-zertifizierte Forellen aus der Lüneburger Heide und Saiblinge aus bayerischen Naturteichen. Das eingeschränkte Sortiment hat den Händler am Anfang Geld gekostet, weil Kunden ausgeblieben sind. „Es ist schwierig, wenn man mit Idealen arbeitet und gleichzeitig Geld verdienen will“, hat er gelernt. Mittlerweile hat sich nicht zuletzt durch den gereiften Fisch wieder eine treue Stammkundschaft gebildet. „Meine Kunden sind mit der Auswahl zufrieden und dankbar dafür, dass sie alles unbesehen mit gutem Gewissen kaufen können.“

nik

Herausragendes Engagement für Nachhaltigkeit des Jahres 2024
Fischfeinkost Baier GmbH
Zwischen den Kreiseln 17
21039 Börnsen
eMail: info@fischfeinkost-baier.de
Internet: www.fischfeinkost-baier.de
Telefon: 040/ 780 11 969
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