Fischhaus Kittner - Bestes mobiles Fisch-Fachgeschäft 2010
Fischhaus Kittner setzt auf Achtsamkeit, Respekt und Nachhaltigkeit
Leidenschaft für Fisch und Zahlen
Das Fischhaus Kittner aus Ibbenbüren betreibt in der Region zwischen Münster, Osnabrück und Rheine einen mobilen Fachhandel mit drei Fahrzeugen. „Achtsamkeit, Respekt und Nachhaltigkeit“ prägen das Leitbild des Unternehmens ebenso wie die Kontrolle wichtiger Kennzahlen. Eine gelungene Verbindung von Fischleidenschaft und betriebswirtschaftlichem Denken.
Es sind die Kinder, denen im Fischhaus Kittner besondere Beachtung geschenkt wird. Dabei geht es Inhaberin Zessyka Grawenhoff-Kittner jedoch nicht nur darum, die Kunden von morgen an das eigene Geschäft zu binden: "Es ist mir wichtig den Kindern klar zu machen, dass der Fisch, den wir essen, gelebt hat. Wenn die Kinder das nicht lernen, verlieren sie die Achtung vor dem Lebensmittel und dem Tier, das dafür gestorben ist", ist sie überzeugt. Aus diesem Grund unterstützt das Fischgeschäft aus Ibbenbüren unter anderem das Kinderkochfestival in Rheine, eine Initiative, die regelmäßig einen "Sinnparcours" organisiert. Dabei gilt es diverse Fischarten zu erfühlen, Unterschiede bei Schleim, Haut und Schuppen zu ertasten, Berührungsängste abzubauen. "Die Kinder sind dabei häufig mutiger als die Erwachsenen", hat Jens Grawenhoff beobachtet. Insgesamt sei die Aktion jedoch geeignet Vorurteile gegenüber dem Lebensmittel Fisch auszuräumen und auch mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die nicht im Fischfachgeschäft einkaufen.
Die Aufmerksamkeit gilt den Kindern nicht nur während dieser Sonderveranstaltungen, sondern ist fester Bestandteil des Alltags. Die Verkaufsmobile sind mit einer "Kindertreppe" ausgerüstet, die den Kleinen den besten Platz vor der Frischfischauslage sichert. Natürlich gibt es auch Convenienceprodukte, die auf diese Kundengruppe zielen – Schollenfrikadellen und vorpanierte Seelachsfilets –, die an Stehtischen in kindgerechter Höhe gegessen werden können. Und zum Nachtisch gibt es eine Schleckmuschel, ein Lutscher in einer Plastikmuschel.
Gegründet wurde das Fischhaus Kittner vor mehr als 30 Jahren. 1997 haben Zessyka Grawenhoff-Kittner und Ehemann Jens die Leitung übernommen und beschäftigen heute rund 30 Mitarbeiter in Verkauf und Produktion. Drei mobile Fachgeschäfte sowie ein stationärer Ladenverkauf inklusive Bistro an der Firmenzentrale gehören heute zum Unternehmen, eine Expansion um ein oder zwei Wagen wird mittelfristig angestrebt. Dabei wird man planvoll und mit Augenmaß vorgehen, so wie alle Entscheidungen bei den Grawenhoffs durchdacht und auf Grundlage einer genauen Analyse getroffen werden. Hier profitiert das Fischhändler-Ehepaar von der Ausbildung zum Bankkaufmann, die beide absolvierten, bevor sie im Alter von 22 Jahren den Betrieb übernahmen.
"Bauchgefühl geht nicht mehr"
Fischhändler-Ehepaar Grawenhoff: "Wir nehmen uns die Zeit, um ‚am’ Unternehmen zu arbeiten, nicht ‚im’. Nur wenn man nicht zu stark in das Tagesgeschäft eingebunden ist, hat man die Möglichkeit Neues zu entwickeln.""
"Wir analysieren unsere Zahlen und schaffen Grundlagen, um nicht nach Gefühl zu arbeiten. Bauchgefühl geht in diesem Bereich nicht mehr", ist man in Ibbenbüren überzeugt. Wichtigstes Element ist dabei die monatlich erstellte Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA). Sie gibt dem Ehepaar regelmäßig Auskunft über die Entwicklung der wichtigsten Kennzahlen des Fischhandels: Umsatz und Ertrag, Personalkostenquote, Wareneinkauf im Verhältnis zum Umsatz, Abschreibungen, Fahrzeugkosten, Zinsaufwendungen etc., die Liste der kontrollierten Zahlen für jede Verkaufseinheit und das Gesamtunternehmen ist lang. "Ohne ein solides Zahlenwerk wurschtelt man sich durch und muss sich am Monatsende überraschen lassen ob es passt oder nicht. Wenn man die Zahlen jedoch kennt, ist der Erfolg planbar", ist man überzeugt. Dabei agieren die Fischhändler in Teilbereichen transparent für die Mitarbeiter, denn auch diese sollen sehen, wo das Unternehmen steht. Ausgehängte Listen mit den Verkaufsumsätzen jeder Stelle sowie der Gesamtumsatz des Betriebes im Vergleich zum Vorjahr und andere Daten mehr geben Auskunft über den Stand der Dinge. "Die Mitarbeiter brauchen Orientierung und eine Zielvorgabe, wir haben gute Erfahrungen damit gemacht".
Zessyka Grawenhoff-Kittner hat schon früh im elterlichen Verkaufswagen auf dem Wochenmarkt mitgearbeitet. Heute verbringt sie etwa zwei Drittel ihrer Arbeitszeit im Büro. "Ich nehme mir die Zeit, um ‚am’ Unternehmen zu arbeiten, nicht ‚im’. Nur wenn man nicht zu stark in das Tagesgeschäft eingebunden ist, hat man die Möglichkeit Neues zu entwickeln", hat sie erkannt. "Man muss nicht alle Auslagen selbst gestalten und sich in jede Arbeit im Geschäft einbringen. Dann bin ich zwar ständig beschäftigt, aber nicht mit den wesentlichen Dingen."
Einkauf in Deutschland, Dänemark und Holland
Zu den wesentlichen Dingen wird der Einkauf gezählt, bei dem man größten Wert auf die Top-Qualität der Ware legt. Auch wenn diese Einstellung häufig höhere Einkaufspreise zur Folge hat. "Unsere Kunden sind zum großen Teil Menschen, die bewusst gut und vor allem gesund essen möchten. Sie zahlen für frischen Fisch sowieso einen höheren Preis als für andere Nahrungsmittel und dürfen dann nicht über das Umfeld, die Mitarbeiter oder gar die Qualität der Ware enttäuscht sein", erklärt Jens Grawenhoff die Einkaufspolitik des Hauses. Dass man damit nicht zu den billigsten Anbietern gehört, stört nicht – im Gegenteil. "Wir handeln Top-Ware mit einer sauberen Kalkulation. Wer aus Überzeugung bei uns kauft, der kommt auch nächste Woche wieder. Wer nach Schnäppchen sucht kauft heute hier, morgen dort – damit lässt sich schlecht planen". Um sich nicht von einer Lieferquelle abhängig zu machen, gehören mehr als ein Dutzend Großhändler und Produzenten in Holland, Dänemark und Deutschland zum Kreis der Lieferanten. Die Ware wird in Bremerhaven zusammengeführt und per Spedition über Nacht nach Ibbenbüren gebracht, wo sie direkt auf die Wagen verteilt und zu den Kunden auf die Wochenmärkte in der Umgebung gefahren wird.
Saisonal wechselnde Schwerpunkte
Das Angebot in den Verkaufswagen liegt bei über 100 Produkten, von denen in der Regel 40 bis 45 auf den Frischfischbereich entfallen, darunter auch Exoten aus internationalen Importen. Regionale Fischarten (Forelle, Bachforelle und Karpfen) stammen von einem heimischen Teichwirt aus dem Teutoburger Wald. Mehrfach im Jahr wird der Schwerpunkt der Tresen verändert: Im Februar/März steht der Skrei im Vordergrund. Ende April/Anfang Mai wird die Frischfischtheke mit weniger Sorten bestückt, dafür rückt das Grillfisch-Angebot mit bis zu 15 unterschiedlichen Zubereitungen in den Vordergrund. Im Mai kommt die Scholle hinzu, im Juni der Matjes. Wenn im September die Grillzeit endet, stimmt man den Kunden auf Miesmuscheln ein. Rund ums Jahr finden sich zudem regelmäßig große Schaufische in den Tresen.
Um die Aufmerksamkeit der Kunden auf die rollenden Fischläden zu lenken, werden am Wochenende immer mal wieder wechselnde Aktivitäten auf den Märkten durchgeführt. Dabei können sich die Kunden bei Krabben-Pul-Wettbewerben oder auch beim Matjesfiletieren selbst versuchen. Ganz nebenbei werden so Qualitäts- und Preisunterschiede erklärt, Fachwissen vermittelt. Besonderen Erfolg hat man dabei mit einer mobilen Räuchereinheit. Sogar bei Regen, so erzählt Jens Grawenhoff, warten die Leute geduldig auf den warmen Räucherfisch.
Kompostierbare Verpackungstüten aus Maisstärke
Zessyka Grawenhoff-Kittner (vorn, 4. von links) zusammen mit ihrem Mann Jens und einem Teil der Crew vom Fischhaus Kittner.
Ein wachsender Sortimentsbereich ist Bio-Fisch beziehungsweise Fisch aus nachhaltigem Fang – eine MSC-Zertifizierung hofft man noch in diesem Jahr zu erreichen. Beim Kabeljau zum Beispiel setzt man ausschließlich auf Zuchtware (Ausnahme: Skrei). Auch im Garnelenbereich hat man auf bio-zertifizierte Ware umgestellt. Der Nachhaltigkeitsgedanke geht für das Fischhaus Kittner über das Warenangebot hinaus und erstreckt sich unter anderem auch auf die Verpackungsmittel. "Wir wollen ein Zeichen setzen gegen den Plastikmüll und verpacken die Einkäufe in kompostierbare Tüten aus Maisstärke", erläutert Zessyka Grawenhoff-Kittner. Bei den Kunden stößt diese neuartige Verpackung auf positive Resonanz. "Die Tüte gibt den Kunden ein gutes Gefühl, denn Mülltrennung reicht heute nicht mehr aus. Es geht darum Müll möglichst zu vermeiden", hat man erkannt.
Etwa 30 Prozent des Angebotes in der Theke sind hausgemachte Spezialitäten: gedünsteter Lachs in Orangenöl, Frischkäse mit Räucherlachs, rustikale Seelachsfrikadellen, Fischgrillwürstchen, Lachslasagne mit Sauerkraut und Ananas, diverse Fischsalate und Streichcremes sind nur eine kleine Auswahl der selbstgemachten Convenienceprodukte. "Die Theke soll die Kunden immer wieder neu ansprechen, daher experimentieren wir gerne und bieten regelmäßig neue Produkte an", erklärt die Inhaberin. Anregungen dazu holt man sich unter anderem von anderen Händlern, mit denen man im Rahmen einer Erfa-Gruppe kooperiert.
Backfisch nach Gewicht
Ein wichtiges Produkt bei Kittner ist der Backfisch, der an allen Wagen sowie im Bistro des Stammhauses der Renner ist. Etwa 15 Prozent vom Gesamtumsatz des Unternehmens entfallen darauf. An einigen Standorten, wie zum Beispiel in Münster, bilden sich mitunter meterlange Schlangen vor den Wagen, berichten die Händler. In solchen Spitzenzeiten kümmern sich dann drei Mitarbeiter um Herstellung und Verkauf des Backfischs. Grundlage dieses Erfolges ist der Einsatz von frischem Seelachs sowie Panade und Gewürzen aus eigener Herstellung. Verkauft wird der Backfisch nach Gewicht und nicht portionsweise, damit jeder Kunde seine individuelle Menge bestimmen kann. Gewürzen misst man in Ibbenbüren eine wichtige Bedeutung bei. Im Beisortiment findet sich eine umfangreiche Geschmackspalette von fertig gemixten Gewürzen. Absoluter Renner in diesem Bereich ist jedoch eine selbst gemischte Zubereitung aus Meersalz und Biokräutern (100 g für 1,- Euro), die nicht nur zu Fisch sondern auch zu Fleisch-, Kartoffel- oder Nudelgerichten empfohlen wird.
Alle in einem Boot
Wie ein roter Faden zieht sich das Sinnbild eines Bootes durch das Fischhaus Kittner. "Alle Mitarbeiter dieser Unternehmung befinden sich auf einem Schiff auf hoher See. Wir alle zusammen wollen das Ziel unserer Reise erreichen. Gemeinsam arbeiten wir daran, das Schiff auf Kurs zu halten, jeder entsprechend seinen Fähigkeiten und den gemeinsam definierten Vorgaben", erläutert Zessyka Grawenhoff-Kittner. Die Verkaufsmobile werden firmenintern als "Kutter" bezeichnet und tragen einen individuellen Namen: "Möwe", "Nixe" und "Albatros". Jede Verkaufseinheit hat einen "Steuermann" und eine "Crew". Das Fischhändler-Ehepaar ist die "Schiffsbrücke", in der Küche arbeiten zwei "Smutjes", das Fischhaus ist der "Hafen", in den alle nach getaner Arbeit wieder einlaufen. Und der alljährliche Tag der offenen Tür heißt in Ibbenbüren folgerichtig "Hafenfest".
Jeder Mitarbeiter, wozu sich die Grawenhoffs selbst auch zählen, muss sich auf den anderen verlassen können. Nur so gelangt man gemeinsam ans Ziel. "Unser Umgangston ist von Achtsamkeit und Respekt geprägt, bei der Zusammenstellung der Crew achten wir darauf, dass sich das Team gegenseitig bereichert", wird hervorgehoben. Das gute Betriebsklima führt dazu, dass man nur noch selten offene Stellen inserieren muss, da regelmäßig Initiativbewerbungen eintreffen. "Bei der Auswahl neuer Mitarbeiter entscheidet dann nicht in erster Linie die fachliche Eignung, sondern das Persönlichkeitsprofil der Bewerber", lautet die Maxime in der Personalpolitik. "Wir achten darauf, ob der Mitarbeiter unsere Unternehmung mit seiner Persönlichkeit bereichern kann".
Seminare für die Persönlichkeit
Innerbetriebliche Schulungen und externe Seminare gehören zur Pflicht für alle Mitarbeiter. Im Abstand von sechs Wochen trifft man sich zum "Matrosen-ABC", um das Fachwissen aufzufrischen, wobei mit ‚Warenkunde’, ‚Hygiene’, ‚Dekoration von Fischplatten’ oder ‚Verkaufsgespräch’ ständig wechselnde Themen besprochen werden. Auch die wichtigen betrieblichen Kennzahlen werden hier besprochen. Vorbereitet und durchgeführt werden diese internen Schulungen vom Fischhändler-Ehepaar selbst. Einmal im Jahr wird für jeden Mitarbeiter zusätzlich ein externes Seminar organisiert, das nichts mit Fisch zu tun hat. Körpersprache zum Beispiel oder Rhetorik stehen dann auf dem Programm, um die Persönlichkeit der Angestellten zu fördern. "Das gestärkte Selbstbewusstsein und die neue Erfahrungen aus solchen Seminaren wirken sich nachhaltig positiv auf den Arbeitserfolg aus. Es macht Freude zu sehen, wie sich Menschen dadurch entwickeln", berichtet Jens Grawenhoff. Auch er selbst und seine Frau nehmen regelmäßige an Seminaren zu unterschiedlichen Themen teil. "Man muss offen sein nicht nur für Fachwissen, mit wachen Sinnen durchs Leben gehen und immer überlegen, wo man was sinnvoll für das eigene Geschäft übernehmen kann".
Bestes mobiles Fisch-Fachgeschäft des Jahres 2010