Glut & Späne - Michael Wickert - Herausragendes Engagement für Nachhaltigkeit 2023
Räucherei Glut & Späne
Black Forest Salmon – alles regional, außer der Rohware
Im Oktober vor zehn Jahren gründete Michael Wickert seine „Lachsfisch-Räucherei“ Glut & Späne. Ende 2021 eröffnete er zum dritten Mal am neuen Standort, jetzt in Freiamt bei Freiburg. Seine Salmoniden bezieht er nach Möglichkeit aus der Region, seine Späne und Gewürze greifen die dortige Tradition auf. Ehrenamtlich engagiert sich der Räucherer für die Wiederansiedlung des Lachses am Oberrhein.
Es spricht für sich, dass uns Michael Wickert zunächst mitnimmt zur Lachszucht Wolftal – noch bevor er uns seine Salmoniden-Räucherei im baden-württembergischen Freiamt zeigt. Die Lachszucht in Oberwolfach im Schwarzwald liegt eine gute Autostunde oder 60 Kilometer von seinem Räucherei-Standort entfernt. Die 2010 vom Landesfischereiverband Baden-Württemberg in Betrieb genommene Zuchtanlage Wolftal ist Teil des Programms zur Wiederansiedlung des Lachses in Baden-Württemberg (siehe Kasten). „Die Lachszucht ist für mich nicht nur wichtig, um sie anderen zu zeigen und darüber zu sprechen, sondern um selber anzupacken und vielleicht mal mit einzusteigen“, sagt der 42-jährige Räucherer.
Früher Fokus auf Regionalität
Bei der Forelle hat Michael Wickert mit den typischen Schwarzwaldforellen eine Qualität, die er in und um Berlin nie so richtig bekommen habe: „Sie wachsen hier in kühlerem Quellwasser sehr langsam und haben eine feinere Fleischqualität.“
Salmoniden haben den studierten Fischereiwissenschaftler vom Beginn seiner Berufslaufbahn an begleitet. Schon parallel zu seinem Studium Fishery Science and Aquaculture an der Humboldt-Universität zu Berlin arbeitet Michael Wickert regelmäßig im Schweizer Quellpark und Forellenzucht Kundelfingerhof, zunächst als Praktikant, zuletzt als stellvertretender Betriebsleiter. Nach dem Studium ist er zweieinhalb Jahre lang Betriebsleiter bei der Forellenzucht Feldmann France in der Normandie. Zurück in Berlin eröffnet Michael Wickert in der „Markthalle neun“ im Stadtteil Kreuzberg mit „Glut & Späne“ die, so seine Eigenbeschreibung, „erste nachhaltige Fischräucherei Deutschlands“.
Bereits hier spielt der Räuchermeister das Thema Regionalität: Seine Rohware bezieht er von Fluss- und Seenfischereien in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, einigen Partnern in Berlin und von der kleinen Kutter- und Küstenfischerei der Ostsee. Fünf Jahre später zieht es ihn aufs Land: Der Wahl-Berliner verlegt „Glut & Späne“ in die Uckermark, eine Wochenendflucht der Berliner. Die Remise der ehemaligen Schlossgärtnerei in Gerswalde, fast 100 Kilometer von der Bundeshauptstadt entfernt, wird zur Räucherkammer. In der brandenburgischen Provinz verfasst der Räucherer eine erste Quintessenz seiner langjährigen Fischräucher-Erfahrung: „Das Fischräucherbuch“, ein 336 Seiten starkes Werk über alle Facetten dieses Handwerks.
Ende vergangenen Jahres schließlich verlagert Michael Wickert seine Räucherei ein zweites Mal, diesmal nicht allzu weit von seiner alten Heimat am Bodensee. „Es war ein Traum von mir, eine ehemalige Metzgerei zu finden“, sagt er über den neuen Standort. Das Gebäude liegt in Freiamt-Mußbach (Landkreis Emmendingen) auf einem sehr sonnigen Hochplateau am Rande des Schwarzwaldes. Die Gemeinde reizte ihn aus zwei weiteren Gründen: sie besitzt kein Industriegebiet, dafür viel kleinteilige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Und: der Ort ist dank Windrädern, Biogas- und Photovoltaikanlagen vollständig energieautark.
Schwarzwaldforellen, Saiblinge und Bodenseefelchen
Da er Glut & Späne als „Lachsfisch-Räu-cherei“ versteht, handelt und veredelt Michael Wickert ausschließlich Salmoniden: „Bei mir wird es nur Forelle, Lachsforelle, Saibling, das Bodensee-Felchen – ebenfalls ein Lachsfisch – und den Lachs geben. In der Nische bieten wir höchste Qualität an.“ Bei seinem regionalen Einkauf kommt ihm zugute, dass er, im südbadischen Böhringen bei Radolfzell geboren, viele Fischereibetriebe und Fischereigenossenschaften der Region kennt. Wickert schwärmt vom Felchen, das er vom Bodensee oder vom Gardasee in Italien erhält. Bei der Forelle habe er mit den typischen Schwarzwaldforellen endlich wieder eine Qualität, die er in und um Berlin immer gesucht und nie so richtig bekommen habe: „Sie wachsen hier in kühlerem Quellwasser sehr langsam und haben eine feinere Fleischqualität.“ Der Lachs ist bei Glut & Späne die einzige Spezies, die Michael Wickert nicht aus der Region bezieht. Über den Fischgroßhandel Scottish Import Finefood in Eltville erhalte er nach langem Suchen Lachse von den Äußeren Hebriden und von den Färöer Inseln, die ihm zusagen: „Er hat keinerlei Fehl- oder Futtergeschmack, keinerlei Tranigkeit und die Filets sind fester. Ich kaufe extra kleine Fische mit geringerem Fettgehalt.“
Black Forest Salmon – „butterzart und mild-rauchig“
Der neue Beelonia-Räucherofen kam, bedingt durch Lieferengpässe, erst im Februar 2022. In Partnerschaft mit Beelonia vertreibt Michael Wickert die Öfen auch auf Provisionsbasis. Das alte Handwerk des Lachsräucherns hat er mit heimischen Spänen und traditionellen Kräutern und Gewürzen neu interpretiert. „Hier wird über Buche, aber auch über Tanne und Fichte geräuchert. Das habe ich bei mir in die Rezepturen eingebunden. Man muss aber aufpassen, dass es nicht zu stark wird“, beschreibt der Räucherer seine Variationen bei der Späne. „Typische Gewürze in der Region, die man hier zum Teil für Speck verwendet, sind Wacholder oder Koriander. Wacholder gab es hier früher reichlich. Die Pflanze hat auf den Weiden überlebt, weil kein Tier, nicht einmal die Ziege, da ran geht.“ Der Wacholder eigne sich zum einen, um den Lachs einzulegen, darüberhinaus könnten die Beeren, das Grün und die Holzspäne auch zum Räuchern verwendet werden. „Das gibt einen feinen, ätherischen Geschmack.“
Vor dem Räuchern werden die Lachsfilets von Hand gesalzen, reifen über Nacht und werden dann 48 bis 72 Stunden kalt geräuchert. Anschließend werden die Filets mit Waldhonigessenz, „einigen Geheimzutaten“ und entsprechenden Gewürzen mariniert, dann in einer Reifekammer über Tage luftgetrocknet. Das Ergebnis – „ein butterzartes, mild rauchiges Filet mit einem einzigartigen, feinen und würzigen Geschmack“ – vermarktet Michael Wickert als Black Forest Salmon, also Schwarzwald-Lachs: „Dabei kommuniziere ich, dass an dem Lachs alles Schwarzwald ist – die Idee, das Räuchern, die Zutaten –, dass aber die Rohqualität aus Schottland kommt.“
Ausschließlich Räucherfisch
Seinen kalt geräucherten Lachs – „ein butterzartes, mild rauchiges Filet mit einem einzigartigen, feinen und würzigen Geschmack“ – vermarktet Michael Wickert als Black Forest Salmon, also Schwarzwald-Lachs.
Seine Räucherfisch-Spezialitäten vertreibt Michael Wickert über die drei Schienen Direktvermarktung, Gastronomie und Veranstaltungen, perspektivisch zusätzlich über einen Online-Shop, der im kommenden Jahr starten soll. In einem kleinen, der Räucherei angegliederten Laden liegen in der drei Meter langen Theke regelmäßig bis zu zehn Fischprodukte, einige davon nur saisonal. Zum Kernsortiment gehören die über Buche und Erle warm geräucherte „Wälderforelle“, schwarzwaldtypisch mariniert, und der beschriebene Black Forest Salmon. In der Vakuumverpackung liegt auf dem Filet das Markenzeichen der Räucherei: ein grünes Tannenzweigchen. Zur Weihnachts- und Osterzeit wird der Black Forest Salmon mit einem Pastrami-Rub zu einem Lachs-Pastrami noch weiter veredelt. Die Produktion des Schwarzwald-Lachses wiederum pausiert im Hochsommer. Dann gibt es für einige Wochen eine „Kräuterforelle“, die über Buchenholz und mit Kräutern bei bis zu 100 Grad kurz und kräftig geräuchert wird. Stremellachsfilets, die „Goldstücke“, runden das Sortiment ab, saisonal werden Bodensee- oder Gardasee-Felchen geräuchert. Als harmonische Ergänzung zu den Räucherfischen produziert Michael Wickert eine Senf-Dill- und eine Meerrettich-Sauce.
Am Standort profitiert der Shop, was die Besucherfrequenz anbelangt, von der benachbarten Weinhandlung Danners Weinkeller. Außerdem lassen größere Räumlichkeiten auf dem Areal die Räucherfisch-Verkostung von Gruppen im Anschluss an Betriebsbesichtigungen zu. Immer wieder ist Glut & Späne bei Großveranstaltungen präsent, zuletzt etwa beim Freiburger „Feierabend-Markt“, einem im September und Anfang Oktober viermal zur Belebung der Innenstadt veranstalteten After-Work-Event im dortigen Colombipark, das abendlich von bis zu 2.000 Gästen besucht wurde.
Die Räucherei als Labor
Einen mittelständischen Betrieb wolle er aber nicht aufbauen, betont Michael Wickert. Die Idee: seine eigene Räucherei werde „das Labor“, in einem größeren Räucherbetrieb eines Dritten wird die Umsetzung der Rezepturen skaliert. Schon heute bietet er mit dem Hamburger Kollegen und gleichgesinnten Fischhändler Sebastian Baier unter der Firmierung „Good Fish Guys“ Hilfestellung an, kurz: „Anschieben. Weiterbilden. Neustarten.“ Der Fokus dabei: die Nachhaltigkeit im Bereich Fisch und Seafood. bm
Herausragendes Engagement für Nachhaltigkeit des Jahres 2023