Fangfrisch Lübeck GbR - Bestes Fisch-Gastro-Konzept 2022
Fangfrisch Lübeck
Regional, nachhaltig und lecker
Hochwertige, frische Produkte aus der Region werden bei Fangfrisch in Lübeck serviert. 2018 eröffneten Tristan Wilcken und Constantin Teichert an der Untertrave ein Casual Dining-Restaurant, bei dem Nachhaltigkeit großgeschrieben wird. Die Garnelen stammen aus Kiel, die Lachsforelle manchmal auch, der Fisch aus Travemünde oder Dänemark, das „Moinsener“-Bier wird in Lübeck gebraut.
Das Straßeneckhaus An der Untertrave/Engelsgrube steht nur einen Steinwurf von der Trave entfernt, jenem Fluss, der die Altstadt von Lübeck umspült. Insofern liegt das Restaurant „Fangfrisch“ tatsächlich nah am Wasser und die Ostsee ist auch nicht weit. „Wir hatten schon Bewertungen, in denen stand: ‚Die Garnelen kommen direkt aus der Trave‘“, bemerkt Tristan Wilcken mit einem Schmunzeln. Dabei ist es schon richtig, dass er und sein Kompagnon Constantin Teichert die Aspekte Regionalität, Nachhaltigkeit und Wertigkeit zum Programm des 2018 gegründeten Restaurants erhoben haben. „Wir sind im September von Feinheimisch zertifiziert worden: Die setzen einen Anteil von mindestens 60 Prozent regionalen Produkten voraus“, berichtet Wilcken. Beim Fisch definiert das schleswig-holsteinische Genuss-Netzwerk den Raum Nord- und Ostsee als regionale Fanggebiete. „Wir gehen weiter und fragen: Was gibt es, was noch regionaler ist und lokal produziert wird ?“
Maritime Produkte aus Kiel
Was die Garnelen anbelangt, greift Fangfrisch auf die Förde-Garnelen zurück, die in Strande bei Kiel in der Kreislaufanlage gezüchtet werden, gut 100 Kilometer nördlich der Hansestadt Lübeck. „Generell ist Kiel ein kleiner Hotspot für maritime Produkte geworden“, meint Tristan Wilcken und nennt weitere. So züchtet die Kieler Meeresfarm von Dr. Tim Staufenberger in der Förde der Landeshauptstadt Miesmuscheln und Algen. Am gegenüberliegenden Ostufer der langgestreckten Meeresbucht schwimmen im Netzgehege der Kieler Lachsforelle die Salmoniden, die der Farm ihren Namen geben. Der Bezug von diesen regionalen Produzenten ist unter dreierlei Gesichtspunkten eine Herausforderung: Logistik, Lieferfähigkeit und Preis.
Hochwertige, frische Produkte aus der Region werden bei Fangfrisch in Lübeck serviert. 2018 eröffneten Tristan Wilcken und Constantin Teichert das Casual Dining-Restaurant an der Untertrave.
„Bei den Förde-Garnelen habe ich mich am Anfang ein bisschen schwer getan, weil so eine Garnele schon im Einkauf je nach Größe 1,20 oder 1,50 Euro kostet. Ein Teller kostet dann schnell mal 30,- Euro. Manche Leute, wenn sie draußen die Preise gesehen haben, kommen mit der Erwartungshaltung ‚Service von rechts, weiße Tischdecken, perfekter Weinservice‘ – haben wir aber nicht, wir sind immer noch Casual Dining“, umreißt Tristan Wilcken die Problematik. Dennoch gibt es bei Fangfrisch für 28,- Euro „regionale Garnelen aus Kiel“, mit Kräutern und Knoblauch gebraten, auf einem sommerlichen Salat, alternativ zum halben Preis ein „Garnelenpfännchen“ mit drei Förde-Garnelen aus Kiel, mit Fenchel in einer kleinen Pfanne gebraten und darin auch serviert, denn: „Ich habe noch nie so gute Garnelen gegessen. Am Ende kann man sie schon mit Hummerfleisch vergleichen, weil sie so schön süßlich sind, so festes Fleisch haben.“
Herausforderung Logistik
Schwierig sei die Logistik mit den kleinen Produzenten. „Förde Garnelen schickt uns die Ware per Express, allerdings eingepackt: Das ist ein Riesenmüllberg. Wir sind einer der größten Kunden bei Förde Garnelen und da muss das irgendwie anders funktionieren.“ Die Kieler Lachsforelle führt Fangfrisch nur zweitweise, denn eine Abholung koste vier Stunden Zeit. „Ab und zu fahren wir auch nach Travemünde. Da kriegt man besondere Sachen, aber in der Küche brauchen wir küchenfertige Schollen in einer bestimmten Größenordnung und das bekommen die nicht hin.“ Stattdessen werde der Travemünder Ostseefisch nach Holland gefahren, dort geschnitten, nach Hamburg zurückgefahren und kommt dann wieder in Lübeck an. Dort kauft Fangfrisch bei verschiedenen Händlern, die teilweise nach Kundenwunsch schneiden. Jens Schrader, Inhaber von Möller & Reichenbach, kaufe für die Lübecker auch aus lokalen Fischzuchten, lobt der Gastronom: „Die organisieren ganz viel.“
Auch wenn sich Fangfrisch in die Kategorie „Casual Dining“ sortiert sehen will, so erinnert die übersichtliche Speisekarte an gehobene Gastronomie: eine Seite mit drei Vorspeisen und zehn Hauptgängen, c‘est ça. Regional ist auch der Speck, der zum gebratenen Steinbuttfilet serviert wird, Bestandteil der Bratkartoffeln ist und die gebratene Scholle abrundet: „Bauer Schramm“ wirtschaftet 26 Kilometer nördlich in Ahrensbök. In Vorbereitung ist auch ein veganer Backfisch. „Wir haben uns zunächst welchen liefern lassen, uns aber entschieden, ihn aus Blumenkohl und Nori-Algen aus Kiel selber zu machen“, sagt Tristan Wilcken und zitiert einen seiner Köche: „Ich habe Angst, dass wir, wenn wir den veganen Fisch auf die Karte nehmen, den dann nur noch verkaufen.“
Eigenes Branding, eigenes Bier
Dem durchdachten Einkauf entspricht ein sorgsam gestaltetes Design mit eigenen Kaffee-Tassen und gebrandeten Servietten. „Die Gäste fragten am Anfang: ‚Ist das Franchise, habt Ihr das Konzept übernommen ?‘ Das habe ich als Lob genommen. Es war schön, von Anfang an wahrgenommen zu werden, als wäre man professionell.“ In diesem Kontext ist nachvollziehbar, dass Wilcken und Teichert gemeinsam mit einer Lübecker Craft Brewery ihr eigenes Bier entwickelt haben. „Moinsener“ ist ein helles, naturtrübes Bier mit 4,8 Prozent Alkohol: „Wir wollten kein Craft Beer, sondern ein eigenes Pils, denn ein richtig fruchtiges Craft Beer kann ich nicht jeden Abend trinken.“ Obwohl es etwas hochpreisiger ist, bestellten die meisten Gäste nur noch das „Moinsener“ vom Fass.
180 Restaurantgäste am Tag
Das Konzept Fangfrisch darf als erfolgreich gelten, wenngleich das Restaurant auf kein ganzes Jahr ohne die Auswirkungen der Corona-Pandemie blicken kann. Im Schnitt zähle die Gastronomie 180 Gäste am Tag.
Das Konzept Fangfrisch darf als erfolgreich gelten, wenngleich das Restaurant auf kein ganzes Jahr ohne die Auswirkungen der Corona-Pandemie blicken kann. „Abends ist es immer so voll, dass wir 30 bis 80 Leute nach Hause schicken, weil wir keinen Platz mehr haben“, beschreibt Tristan Wilcken die Nachfrage, „mittags, da hat man mal einen ruhigeren Tag.“ Im Schnitt zähle das Restaurant 180 Gäste am Tag. Auf einen anfangs angedachten Mittagstisch verzichtet Fangfrisch jedoch – „irgendwie passt es nicht zu uns.“ Ergänzend zum Restaurant steht auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch ein Fangfrisch-Kiosk, an dem es kalte Fischbrötchen gibt. Dort seien 2020 alleine 15.000 bis 16.000 Matjes-Brötchen verkauft worden. „Was muss bei einem guten Fischbrötchen dabei sein ?“ fragt der Fischgastronom und beantwortet die eigene Frage: „Guter Fisch und ein gutes Brötchen.“
Fangfrisch wäre kein „Start-up“, wenn die Inhaber nicht noch zahlreiche Pläne hätten. So lassen die Gastronomen derzeit einen mobilen Verkaufswagen in Gestalt eines Seecontainers bauen. Aus Gewichtsgründen wird kein Original-Container umgebaut. Das Mobil erhalte eine vollwertige Gastroküche, in der neben Fish & Chips ganze Menüs erstellt werden können. Obgleich der „Container“ im Herbst noch nicht fertig war, kamen bereits erste Anfragen von Unternehmen, die für 300 Leute eine Weihnachtsfeier ausrichten wollten.
Bau einer „gläsernen Räucherei“
Ein noch größeres Projekt ist der Bau einer „gläsernen Räucherei“ auf der Lübecker Kulturwerft Gollan. Auf einem der ältesten Industriegebiete Schleswig-Holsteins, auf dem sich früher eine Werft befand, errichtet der Unternehmer Thilo Gollan seit fünf Jahren in unmittelbarer Nähe zur Altstadt ein kulturelles Zentrum. In einer der bis zu 18 Meter hohen backsteinernen, ehemaligen Industriehallen sollen die Kaffee-Rösterei „Cycle Roasters“ und die Bierbrauerei „Sudden Death Brewing“ integriert werden, in einer anderen Halle eine Mall für Kleinbetriebe. „Die Räucherei bauen wir, weil wir den Fisch, den wir hier verkaufen, selber herstellen wollen“, begründet Tristan Wilcken diesen Schritt einer angestrebten vertikalen Integration.
Weiteres Thema wäre der Kontakt, den Fangfrisch zu dem ebenfalls Lübecker Start-up Bluu Biosciences von Dr. Sebastian Rakers geknüpft hat, das an der Produktion von In-vitro-Fischprodukten arbeitet. „Wir haben denen angeboten, die Produkte hier unseren Gästen als Highlight anzubieten. Sie sind die ersten, die so etwas mal im Restaurant probieren dürfen.“ Wilcken ist überzeugt: „So etwas muss man unterstützen“, gibt aber auch zu bedenken: „Wenn man so etwa pushed, muss man die ganze Kette durchleuchten: Ist das jetzt die Lösung ?“ Die eigene Räucherei zumindest könnte noch im Laufe des Jahres 2022 fertiggestellt werden.
bm
Bestes Fisch-Gastro-Konzept des Jahres 2022